Was fange ich nur mit meinen letzten Tagen an? Bestimmt werde ich nicht zu Hause bei Judite herum hängen, die sagt, dass die deutschen hässliche Haut haben. Stattdessen nahm mich Leandra in ihre Sprechstunde mit.
Die war von um 8 bis um 12 gut besucht. Leberflecke, trockene Stellen, Falten und Botox. Es war schon fast wie in Bauru-Zeiten. Bei Letzterem wusste sie, dass ich kein Fan davon bin. Aber ich sagte nix, denn es ist ja ihre Sprechstunde und bei einem Botox-Komplett-Programm verdient sie 1000 Reais. Die braucht sie, um ihre neuen Praxisräume zu bezahlen.
Nachmittags packte ich, bis die Leandra und Judite zurück kamen. Das Geschäft war abgewickelt, jetzt mussten sie nur noch das Taxi nach Januária erwischen. Das gab viel Geschrei, denn Leandra hatte ihren Schlüssel verloren. Wir verabschiedeten uns schnell auf der Straße. ?Das nächste Mal haben wir bestimmt mehr für dich Zeit und lassen dich nicht allein in diesem Haus. Da haben wir bestimmt auch nicht so viel Rennerei.? Dabei habe ich die ruhigen Stunden allein zu Hause am meisten gefallen?
Am Dienstag erledigte ich noch ein paar Wege im Zentrum um meine letzten Reais auszugeben. Meine Mitstudentin Vilma hatte mich zum Mittagessen eingeladen, nachdem sie am Wochenende zu spät zu meiner Feier gekommen war. Sie hatte eine Feijoada (Bohneneintopf) gemacht und überreichte mir feierlich im Namen der Seminargruppe den für mich genähten Kittel.?Doutora Chiqueza!? Es gab schon ein Namenschild mit Dra. Anika Martin. Das hängt etwas schief und sollte vielleicht noch einmal neu angebracht werden. Auf einem Ärmel ist der Name des Matrikels, auf dem anderen das Logo des Universitätskrankenhauses. Der herzförmige Ausschnitt und der Stehkragen sind typisch brasilianisch, wie sie die Studenten zum Studienabschluss tragen. ?Für uns bist du jetzt schon Doutora!? Es war mir eine große Freude und Ehre, Teil dieses Matrikels zu sein und es gibt kein schöneres Erinnerungsstück an diese Zeit!
Mittwoch früh 5.30 Uhr fuhr mein Bus Richtung Belo Horizonte los und ich freute mich auf zu Hause, doch je näher ich Belo Horizonte kam, desto mehr vermisste ich alle lieb gewonnenen Menschen. In Bocaiúva dachte ich an Luís Fernando, in Curvelo, der Hauptstadt des Forró, an Fernandinha, in Sete Lagoas an Isabela und in Belo Horizonte an Leila und unser schönes Wochenende! Wie viele Leute habe ich nicht geschafft zu besuchen ? Idel und Melanie in Rio, Senhor Carlos und Ana Carolina in Sao Paulo, Monica, Luana und Aline in Bauru sowie Laura in Marilia. Was sagt mir das? Ich muss auf jeden Fall wieder kommen! Bevor ich anfange zu arbeiten oder in meinem ersten Urlaub um mit meiner Turma ihren Abschluss zu feiern?
Ich schleppte meinen ganzen Kram über den Busbahnhof von Belo Horizonte und stieg in den Flughafenbus. Belo Horizonte spielt gerade ein bisschen verrückt, weil heute Abend das entscheidende Spiel stattfindet ? wird Atletico Mineiro gegen Bayern München in der Copa das Libertadores antreten? Es ist quasi das Champions League Finale von Südamerika.
Viele Autos waren geschmückt und Rafael hatte mich zum Abschied noch einmal gefragt, für wen ich wohl die Daumen drücken werden. ?Atletico! Galooooo!? Auch im Bus diskutierten die Atleticanos gegen die wenigen bekennenden Cruzerenses, wer wohl gewinnen werde.
Auch auf dem Flughafen waren viele Fans zu sehen und immer wieder schrie es ?Galoooo!? aus allen Ecken. Als wir ins Flugzeug stiegen und die Handys ausschalten mussten, fragte eine Frau den leitenden Steward, ob man das Spiel denn nicht irgendwie übertragen könnte?
Kurz bevor die Maschine in Lissabon aufsetzte, verkündete der Kapitän den Sieg von Atletico Mineiro und es brach ein Jubel im Flugzeug aus, wie er nur hier möglich ist, mit Gesängen etc. Als für die Landung geklatscht wurde, lag mir auch schon ein ?Galoooo!? auf der Zunge, aber von weiter hinten kam mir jemand zuvor. Es fehlte nur noch das genaue Spielergebnis. Da werde wohl weiter für Atletico die Daumen drücken!
Galoooo!