Enrola enrola....

04.June 2013 - Montes Claros


Este povo enrola tudo!
Dieses Volk schiebt alles vor sich her und ich auch ;-)

Freitagfrüh (1.6.) erschien ich überpünktlich zur ?Corrida de Leito?, der Lehrvisite. Da so eine Art Brückentag war, war die Anwesenheit auch eher ausgedünnt: der Marschall, die Assistenzärzte und wir 4 Mädels. Die Jungs hatten frei, das fiel Barcala auf. Sollen das schon alle sein?

Im Gegensatz zur letzten Lehrvisite ging es sogar geordnet zu. Es wurde alle Patienten in einem Zimmer visitiert und nicht so wild herum gerannt. Danach setzten wir uns ins Stationszimmer und besprachen die Fälle noch einmal.
Fernanda und ich waren in der Rettungsstelle eingeteilt und ?gemeinsam waren wir stark?. Wenn eine was brauchte, war die andere zur Stelle.?So einen Sandovalismus lasse ich hier nicht zu.?, ermunterte mich Fernandinha. Sandoval hat immer mich vorgeschoben um in Ruhe irgendwas im Internet zu suchen. Felipe Doidao hatte Dienst, war aber nirgends zu sehen. Heute lag Joao José die meiste Zeit im Dienstzimmer herum und wollte nur geweckt werden, wenn es unbedingt notwendig war. Am Nachmittag stand er aber doch auf, um mit uns die zwei Blinddarmentzündungen operativ zu versorgen. Zweimal kam uns viel Eiter entgegen. Und wo waren die OP-Pfleger? Ich ging mit meinem Kittel auf den Gang und rief einfach mal ?O!? Wir brauchen Kochsalzlösung. Wir brauchen noch mehr Faden!

Den Samstag hatte ich größtenteils für mich. Vilma rief nicht an, ob wir aufs Land fahren wollen. Ich fegte die Wohnung aus und versuchte eine Grundsauberkeit herzustellen, weil sich Leandras Eltern, Judite und Antenor angekündigt hatten. Sie würde trotzdem alles sauber machen, wenn sie kommt, aber die gröbsten Spuren wollte ich schon beseitigt haben. Als ich die Treppe wischte, um die großen Flecken zu entfernen, lud mich Archimedes zum Mittagessen ein. Es gab Reis und Bohnen mit Maniokmehl, aber ich wusste nicht so recht, was daran die bahianische Art war. Würzig war es auf jeden Fall.

Kurz darauf trudelten Judite und Antenor ein mit einem großen Wochendeinkauf ? wer soll das alles essen oder gibt es ein Fest? Oder war Besuch von Leandras Schwester Samira der Anlass? Ich lernte Samira kurz darauf kennen und schloss sie gleich ins Herz. Natürlich musste Antenor wieder sticheln, warum sie denn auch soweit weg gezogen wäre und ich solle doch auch noch Innere Medizin hier machen, quasi richtige Medizin ? Meningitis, Dengue, Chagas, Pneumonie. Dann müssen seine Kinder also keine richtigen Ärzte sein? Aber trotzdem ist er stolz auf sie.

Vilma rief mich doch noch an. Heute Abend will sie bei Fernanda kochen und mich kurz nach 6 abholen. Das ist ja mal ein Wort! Ich zog mich um und wartete. Um 7 stand sie vor der Tür, als mir Antenor ein himmelblaues Kleid hinhielt. Das solle ich anprobieren für die Hochzeit. Aber muss das gerade jetzt sein, wo Vilminha schon vor der Tür steht? Ich vertagte es auf den nächsten Tag. Im Auto ihres Freundes lagen alle möglichen Zutaten plus Teller und Besteck - für den Fall, dass Fernanda nicht genug im Hause hatte. Sie hatte auch eine Kochgarderobe dabei und legte dann los. Sie war in ihrem Elemente und erteilte Befehle zur Menüplanung.

Die restliche Turma trudelte so nach und nach ein und um 10 wurde das Büffet eröffnet. Luis war als letzter gekommen und hatte noch einmal viel Freude daran, unser Seminar mit Dr. Goncalo nachzuerzählen. Er hatte das als Beobachter gesehen, ich war da zu sehr involviert und hatte vielleicht nicht alles verstanden. Zum Schluss waren wir so ca. 12 Leute und trotzdem blieb viel Essen übrig.

Am nächsten Tag wollte Onkel Archimedes schon mit mir schimpfen. ?Warum warst du schon halb 1 zurück? Deine Freunde taugen nix. Um 4 oder um 5 kommt man in deinem Alter zurück.? Naja, die hatten alle Dienst gehabt oder er steht ihnen heute noch bevor. So begann der Sonntag.

?Dieser Kaffee taugt nichts. Der von Medinho ist viel besser. Hast du den mal probiert?? Der von Onkel Archimedes ist vor allem stärker ?aber besser? Antenor hält also nichts vom Kaffee seiner Frau. ?Ich will heute nicht auswärts essen, wir machen heute Churrasco!? Ein Mann, ein Wort. ?Komm mit!?
Im Hof heizte Rafael gegen halb 11 den Grill an. Ich schmierte mich schnell mit Sonnencreme ein und hatte dann das Vergnügen, der Herrenrunde Gesellschaft zu leisten. Ein Stück Fleisch legten sie auf Grill. Soll das reichen? ?Wir müssen noch Salat dazu machen!?, sagte Antenor, doch beim Blick in den Kühlschrank gab es nichts dergleichen. ?Wir müssen noch Salat kaufen!?, also fuhren Leandras Eltern noch einmal los um einzukaufen. ?Hol doch die Gitarre runter!? Samira setzte sich dazu und im Wechsel spielten Rafael und ich ein paar Töne auf der Gitarre. Langsam bekam ich wirklich Hunger? Halb 1 kamen die zwei mit zahllosen Tüten zurück. ?Wer soll jetzt den Salat schneiden?? ?Das kann doch die Frau des Hauses machen!? Etwas verächtlich bezeichnete Judite damit Maria Cecilia, Rafaels Verlobte, die später dazu stieß und nichts dafür konnte.

Wir trugen den Einkauf nach oben und Judite drückte mir eine Mandarine in die Hand. ?Iss, es wird noch dauern!? Wir schnippelten den Salat, während Antenor unten weiter Gitarre spielte. ?Wo ist überhaupt das Schneidbrett?? Gute Frage, das war in meiner ersten Woche verschwunden, zusammen mit dem Essig. ?Bestimmt unten. Aber Essig habe ich welchen gekauft!?Ich guckte unten vorbei. ?Wer kocht den Reis?? Nächste Frage. Zumindest hatten die Männer mittlerweile mehr Fleisch auf das Grill gelegt. Jetzt wurde Judite sauer. ?Für dieses Volk hier koche ich nicht! Ich habe keinen Reis und keine Bohnen hier. Wenn ich koche, dann bringe ich das aus Januária mit. Ich kann nur die Reste von gestern aufwärmen.? Mit einem verbissenen Gesicht stellte sie die Rester auf den Ofen.

Mein größter Hunger war bereits vergangen, als wir halb 2 zu essen anfingen. Judite drückte Samira und mir die Töpfe in die Hand, nahm sich eine halbe Portion und schickte uns runter. Mit den Resten von Archimedes Samstagsessen wurde es ein überschaubares Büffet, aber alle stifteten mich zum Essen an und versuchten mich in Späßchen zu verwickeln. Judite erschien mit einem Schneidbett. ?Das ist nicht meins. Zeig mir deins! Wie kommt das hierher, warst du oben gewesen?? ?Nein ich habe nichts geholt.?, entgegnete Rafael mit einer Unschuldsmiene. Sie nahm ihre Töpfe und das andere Schneidbrett mit. ?Das Messer hier ist aber auch von mir!? Ich hatte mittlerweile auch genug von diesem Gezicke. Judite verschwand wieder, die Männer tranken ein Glas Bier und Rafael gab eine Runde Schokolade aus. ?Ich schlafe jetzt eine Runde!? sagte Samira gegen um 3 und ich schloss mich ihr an. Ich hatte genug Familie für heute.
?Mae, este povo aluga Anika demais!? Die spannen Anika zu sehr ein.
?Wer??
?Pai und Medinho.?
Ja, heute haben sie mich genervt. Einer reicht schon, zu zweit sind sie unschlagbar.

Ich legte mich eine Runde hin, und im Skype bekam ich dann noch eine Ladung Familie aus Deutschland zu geschickt. Welche von beiden ist mir lieber?

Ich hörte Getrappel in der Küche. Leandra war gekommen und ich setzte ein freundliches Gesicht auf und verzählte die Neuigkeiten der letzten Woche. Zusammen schauten wir noch das Spiel gegen England an, bis Samiras Schwiegermutter in spe vor der Tür stand. Ich ging davon aus, dass sie Samira abholen wollte, um zurück nach Belo Horizonte zu fahren, bis Leandra mit einem großen Karton in der Tür stand. Darin waren einige Infusionsbeutel, Spritzen und Tupfer. Samira nahm in der Küche platz und als die kleine Ampulle auftauchte, begann die Botoxparty. Der Tag hatte also seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Wer will, wer will, wer hat noch nicht.
Antenor setzte sich dazu und zusammen machten wir uns lustig, über den ganzen Schönheitskram, Falten und Operationen. ?Wie alt ist deine Mutter, macht die sowas?? Samiras Schwiegermutter war die nächste und wusste nicht so recht, wie sie tun sollte. Immerhin war Antenor quasi der Hausherr und ich der Hauptgast. ?Wolltest du nicht laufen gehen??, guckte mich Judite an. Ja, ich hatte davon gesprochen. Es war um 7 Uhr. ?Für eine Stunde reicht es noch!?, entgegnete ich etwas gespielt trotzig und war in einer Minute umgezogen, murmelte ein schnelles Tschüss und rannte los. Es kann ja jeder für seine Schönheit leiden, wie er will, oder?

Verschwitzt und mit hochrotem Kopf kam ich zurück. Waldemar bastelte an einem Gasmotor herum, den er in China bestellt hatte, aber ohne Anleitung geliefert wurde. Leandra schaute die Ankunft von Neymar in Barcelona an. Archimedes fragte mich, was ich vom Churrasco hielt. ?Es ist wie vieles in diesem Land, es dauert einfach lange und jeder nascht hier und da ein bisschen.? Insgeheim freute ich mich, dass das Wochenende vorbei war und alle am Abreisen waren.