Arbeitssuche

09.January 2015 - Mildura


Wie gestaltet sich die Jobsuche in Australien? Viel haben wir über diesen eher unbequemen Part des WORK & Travel in Büchern und im Internet gelesen. Relativ einfach und unkompliziert soll die Jobsuche, hart und monoton die eigentliche Arbeit sein. Um es gleich vorwegzunehmen, eine Beschäftigung lässt sich ohne Weiteres finden, allerdings sind dabei mindestens zwei Punkte zu beachten. Erstens, wie viele Dollar verspricht mir mein zukünftiger Arbeitgeber? Und zweitens, wie motiviert bin ich eigentlich mit Ende 20 auf einem Acker zu stehen und den Anweisungen eines modernen Sklavenhalters zu folgen? Sicherlich lässt sich letzteres nicht generell beantworten, da die Ausgangssituation unter Backpackern sehr verschieden sein kann.
Unsere Situation war die Folgende: Unsere Reisekasse war auch nach mehreren Wochen Urlaub (also "Travel") keineswegs völlig ausgezehrt, wir waren nach wie vor stolze Besitzer eines Autos, standen nicht unter Zeitdruck und waren dank Internet guter Dinge schnell Arbeit zu finden. Kurzum, wir konnten diesen Part vergleichsweise entspannt angehen.
Aufbauend auf Berichten anderer Backpacker beinhaltete unser Plan, quer durch New South Wales in Richtung Mildura im Bundesstaat Victoria zu fahren und links und rechts des Weges nach Arbeit zu fragen. Im Falle einer erfolglosen Suche und andauernder Arbeitslosigkeit, wollten wir die Hilfe eines sogenannten Working-Hostels in Anspruch nehmen. Zunächst begaben wir uns also selbst auf die Suche, was durchaus reizvoll sein kann. Verschiedene Städte anfahren, in Agenturen umhören, andere Reisende ausquetschen oder schlicht an der Haustür eines Farmers klopfen gehen, sind hierbei gängige Methoden.
Es dauerte nicht lange, als wir uns schließlich auf einem Feld voller Kirschbäume wiederfanden und begannen die von Ohrenkneifern wimmelnden Früchte vom Baum zu pflücken. Pflücken oder englisch picken hieß in diesem Fall nicht, einfach die Kirschen herausreißen, sondern mit einer kleinen, aber entscheidenden Drehung die Kirsche samt Stiel aus dem Zweig entfernen ;)
Würde man versuchen den Beliebtheitsgrad dieser Tätigkeit unter Backpackern mit Hilfe der natürlichen Nahrungskette zu veranschaulichen, dann stünden wir zu diesem Zeitpunkt am bitteren Ende jener Kette. Bezahlt wurde per Kiste, was am Ende des Tages etwa 70 Dollar zusammen (!) einbrachte. Wird man während der ohnehin schon monotonen Arbeit noch von Motivationskünstlerin Fr. Mrozik darauf hingewiesen, dass man auf die Stunde runtergerechnet nur 6 Dollar verdient, wachsen die Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Arbeit doch schneller als gedacht. Immerhin konnten wir Geld für die Unterkunft sparen, da uns, wie vielen anderen "Pickern" auch, ein Stellplatz neben dem Feld zur Verfügung gestellt wurde. Abends kam dadurch zwar Lagerfeuerromantik auf, indes konnte sich Katharina nur sehr bedingt mit dem vielen Dreck und der fehlenden sanitären Anlagen anfreunden ?
Nach langen fünf Tagen versuchten wir unser Glück in Griffith und Umgebung. Entgegen unserer Hoffnungen ließen uns die Einheimischen jedoch wissen, dass es arbeitstechnisch schlecht aussieht, was schlicht mit der ausbleibenden Ernte zusammenhänge.
Aushilfsweise ergatterte ich kurz darauf einen Job auf einer Farm, während Katha auf einem Campingplatz half die Bungalows zu reinigen und damit zugleich unsere Unterkunft sicherte. Als es bei mir darum ging, einen Zaun kilometerweit in die Erde zu rammen, hatte ich weniger mit der Sonne und Hitze zu kämpfen, als vielmehr mit der vom Farmer geschürten Angst vor gefährlichen, mitunter tödlichen Schlangen und Spinnen in dieser Gegend. An meine Seite wurde noch ein netter Italiener gestellt, der, wie ich, die Instruktion erhielt, immer ein Auge auf den Anderen zu haben, um im Notfall die Ambulanz zu rufen. Sichtlich verstört und auf uns alleine gestellt machten wir uns an die scheinbar endlose Arbeit. Ablenkung fanden wir in dem uns zur Verfügung gestellten Jeep ;) Nach getaner Arbeit erfreuten wir uns also nicht nur am verdienten Geld, sondern auch an der uns gebliebenen Gesundheit.
Das große Geld konnten wir auch bei diesen Tätigkeiten nicht machen, weswegen wir uns mit einigen Erfahrungen mehr weiter auf den Weg machten.
In Mildura, dem Wohnort einer alten Schulfreundin, angekommen, tauschten wir unseren Autoschlafplatz mit dem Bett eines Working-Hostels. Die auf ihren Sinn im Namen deutlich hinweisende Unterkunftsart verheißt dem mittellosen Backpacker eigentlich die Möglichkeit, schnell seinen Geldbeutel aufzubessern. Nicht eingehaltene Versprechen des Hostelbesitzers, hohe Kosten und wirklich miserable Unterkünfte bescheiden dieser Art der Hostels jedoch immer wieder einen schlechten Ruf ? oft nicht unbegründet. Wider besseres Wissen also, ließen wir uns auf dieses Experiment ein. Nicht zuletzt dadurch, dass wir dank unserer Bekannten vermittelt wurden und infolgedessen quasi eine Sonderstellung einnahmen.
Grundriss und Charme des Hostels glichen einem internationalen Gefängnis, was auch die Gruppenbildung nach Sprachen erklärte - zumindest auf den ersten Blick ;)
Das Leben in einem solchen Hostel lässt sich wohl am Besten mit den Worten: Mit- und gegeneinander charakterisieren. Die Solidarität unter den Backpackern erklärt sich naturgemäß aus der Tatsache, dass alle Bewohner quasi eine "Schicksalsgemeinschaft" bilden, sich gegenseitig helfen, betrinken und Kraft geben. Die Vielfältigkeit der angebotenen Jobs indes fördert freilich das Konkurrenzverhalten untereinander. Backpacker, die 6 Stunden am Tag bei brütender Hitze Wassermelonen in Übergröße picken mussten (durften), sieht man ihren Arbeitstag meist eher an, als Personen, die in einer kleinen Fabrik am Fließband stehen und "nur" gegen die Eintönigkeit zu kämpfen hatten.
Uns beiden, inklusive weiteren drei Personen, sicherte der Hostelchef Arbeit auf einer Farm für acht Tage. Das versprochene Geld bewegte sich im gehobenen Bereich durchschnittlicher Verdienstmöglichkeiten. Die Tätigkeit an sich beschränkte sich innerhalb dieser acht Tage auf recht einfache und ebenso monotone Arbeitsschritte, die ich euch hier erspare (einfach mal "grafting" googeln ). Auf dem Feld bleiben dann weder die Klamotten noch die Akademikerfinger sauber und unbescholten. Im Großen und Ganzen hatten wir mit unserer Arbeit ziemliches Glück. Wer allerdings in Australien aufgrund des sonnigen Gemüts der Menschen hier oder der wunderschönen Landschaften verlernt haben sollte zu fluchen oder zu hassen, lernt es wieder auf dem Acker, wenn ab der Mittagszeit die gemeine Fliege in afrikaähnlichem Verhalten versucht in alle unbedeckten Körperöffnungen zu stoßen. Mehrmals gab Katha dann unzweideutig zu verstehen, was sie von der Arbeit hält und dass ein Ausraster kurz bevorsteht ;).
Alles in allem sollte man die Arbeit hier mit einem Augenzwinkern hinnehmen, während der Tätigkeit den Mund geschlossen halten und an das Weiterreisen denken ? dem eigentlichen Grund für das Arbeiten.
Nett angereichert wurde unsere Zeit in Mildura durch kostenlose Quad-Ausflüge, neue Bekanntschaften und der Unterstützung unserer Freundin.
Nach diesen sehr interessanten, anstrengenden und erfahrungsreichen Wochen geben wir uns nun wieder dem Reisen hin. Silvester in Melbourne, dann die Great Ocean Road und Haufen andere Dinge.

Bis bald.