Tennis und der Job

14.January 2013 - Melbourne


Mein erster Eindruck von Melbourne war, dass die Stadt schon ziemlich groß ist. So war das erklärte Ziel am zweiten Tag ins südlichere St.Kilda zu laufen, wo der Stadtstrand liegt, nach zweieinhalb Stunden Fußmarsch beendet und ich drehte auf halber Strecke um.
Jedoch halfen mir die Australian Open über die nächsten Tage hinweg, so hatte ich das Glück, da ein Freund zufällig Lisikis Vater traf, der uns Freikarten für eine der Arenen schenkte, relativ kostenguenstig große Namen wie Kerber, Haas, Berydych und als Highlight Federer live im Stadion zu sehen. Das Finale verfolgte ich dann beim sitzenden public viewing am Federation Square, dem zentralen Anlaufpunkt im CBD Melbournes, mit einer Freundin. Atmosphärisch ueberzeugten mich die Open nur teilweise, was allerdings an den wenig spannenden Erstrunden Partien, zum Beispiel bei Federer, lag. Haas-Niemienen, ein 5 Satz Spiel in einer der Außenarenen, konnte jedoch stimmungstechnisch durchaus mit dem Rugby-Spiel des Clubweltmeisters Melbourne Storm gegen St. George vor knapp 16.000 Zuschauern mehr als konkurrieren.

Wie schon erwähnt, das erklärte Ziel war es in Melbourne einen Job zu finden. Da mir die bisherigen Jobs mehr oder weniger zugeflogen sind, war ich auf diesem Gebiet eigentlich noch ein Anfänger. Ich checkte also die üblichen Backpacker-Seiten und "bewarb" mich per Kurznachricht für alle möglichen Jobs ohne jedoch große Hoffnungen zu hegen. Im Endeffekt verdanke ich meinen Job und meine ueberagende Zeit in Melbourne meiner Liebe zu Bier, Football, Bars und einem Deutschen, dem es genauso erging. Ich lief also Sonntagmittags gegen 12 durch Melbourne auf der Suche nach einer Sportsbar, die New England, meine Lieblings-American-Football-Mannschaft uebertrug. Dort setzte ich mich hin trank ein Bier und kam schnell mit meinem Nachbar, einem von 2 Besuchern außer mir in der Bar, ins Gespräch, der mir von einem Job erzählte, der ganz gut bezahlt sei, einfach zu machen und mit coolen Leuten. Zudem gab er mir eine Nummer, die ich tags darauf anrief und zum Jobinterview geladen wurde.

Ich war zugegebenermaßen ein bisschen nervös, was sich jedoch mehr als unbegründet erwies. Ein Kerl, den ich in den 9 Wochen danach nur einmal, leicht alkoholisiert nebenbei, in der Company wiedersah, fragte mich nach Namen, Führerschein, Steuernummer und erzählte dann von dem Job, am nächsten Tag sei mein Training. too easy...das sagt jedoch schon einiges ueber die Firma aus ;)

Die Firma ist als Teil eines Regierungsprogrammes gegründet worden und gehört zu einem Produzenten von sog. "Smart-Powerboards". Diese Powerboards, Mehrfachstecker auf Deutsch, sparen Energie, indem sie, an Fernseher und Zubehör angeschlossen, den Standby-Modus ausschalten, nachdem der Fernseher ausgeschaltet wird. Zudem besteht die Möglichkeit einen Timer von 1,2 oder 3 Stunden zu stellen, sodass alles automatisch ausgeschaltet wird. (Bilder unter Google: eetech powerboard). Jedes Boards spart Energie, die aehnlich wie der europäische Emmisionshandel, in Energiezertifkaten am Börsenhandel verkauft wird. Unsere Aufgabe als Türklopfer/Vertreter/Door-knocker war es die Boards kostenlos wegzugeben, zu installieren, als Beweis zu fotografieren und dann mithilfe der Kontaktdaten des Kundens sicherzustellen, dass in jedem Haus nur einmal Boards installiert und somit Zertifikate erstellt werden. Was recht einfach klingt, hat jedoch einige Haken.

1. Im Zuge der Energiekostenerhöhungen der letzten Jahre schicken so gut wie alle viktorianischen Energiekonzerne (Victoria ist der Staat Melbournes und somit unser Arbeitsbereich) Door-knocker in die Staedte um Kunden zu gewinnen, die dementsprechend eine gewisse Abneigung in Form von Beleidigungen (piss off), Do-not-knock-Stickern (can't you read?) oder genereller Unfreundlichkeit (i'm not interessted oder simples Türzuschlagen) ausdruecken, die für uns, da wir kostenlose Sachen weggeben, unverstaendlich ist und zuweilen in Frust, Wut bis ernsthafte Aggressionen gegen die Boards, den Job, die Konkurrenz oder den Teamleader (Sorry, Flo, du bist der beste!) endete.

2. Damit sind wir auch schon beim zweiten Problem: der Konkurrenz.
Da mit den Zertifikaten, betrachte ich meinen Boss oder die Teamleader, ein Haufen Geld zu verdienen ist, gibt es auch Konkurrenz-Produkte. Größter Feind (google: embertech) ist ein grüner Mehrfachsteckerplug, der, wenn die Fernbedienung nicht berührt wird, automatisch alles ausschaltet. Dieses Produkt erfreut sich einer Beliebtheit, die mit der der Kickers Offenbach in Frankfurt gleichzusetzen ist, sodass man von Leuten, die embertech bereits haben und somit unser Board nicht bekommen dürfen, verschiedene Reaktionen von "take it away" bis "i hate it" oder freundlicher "I want yours" zu erwarten hat.
Unglücklicherweise ist embertech weitaus gründlicher gewesen, sodass man so gut wie nie eine "unberührte" Area hat, in der man theoretisch in jedem Haus installieren kann. Somit wurde der Job immer schwerer, da das Gehalt (grob) 10 Dollar pro Board bei vielleicht 15 am Tag (ich war auch nicht der beste ;) )) leider nicht wie angekündigt anstieg.

3. Weitere Probleme lagen neben mangelnder Motivation (bei mir ganz groß),schlechtem Wetter und im Vertrauen der Kunden. Diese wollten einen entweder nicht reinlassen, keine Fotos von ihren Fernseher, keine Details angeben oder nicht unterschreiben.

Generell gilt die Regel, dass man ein Board pro Fernseher bei einem Maximum von 4 pro Haus verteilen darf. Zudem muss in das Board neben dem Fernseher mindestens ein "second device" wie Dvd, Blue-Ray, Antenne, Stereo oder Konsole eingestöpselt sein, sodass es zum Sport wurde, Dvd-Player herum zutragen, um beim Fernseher im Schlafzimmer ein zweiten Stecker zu haben.

Soviel erstmal zum Job selbst. Man kann sich zudem entscheiden, ob man in der City, also Melbourne, oder auf Roadtrips in Städten in ganz Victoria arbeiten will, wobei man in der City mehr Geld bekommt, jedoch auch im Schnitt weniger Boards macht. Beim Roadtrip fährt man mit einem Teamleader, auch ein Backpacker, mit einem großen 12-Mann Van in eine Stadt, die Firma zahlt innerhalb eines bestimmten Budgets die Unterkunft, und man teilt sich das Essen, trinkt abends Bier und vertreibt sich die Zeit zusammen. Da dies viel Geld spart, ging ich jede Woche auf Roadtrips und habe somit sehr, sehr viel von Victoria und auch vom Lebensstil der Locals selbst gesehen, wenn nicht sogar zuviel. (Selbst RTL kann noch getoppt werden...)
Die Arbeitszeit erstreckt dich dabei von dem Zeitpunkt, an dem man aus dem Van "geschmissen" wird, bis ca. 8 abends, sodass im Schnitt zwischen 6-4 Stunden gearbeitet werden soll. Man wird dabei zu zweit, selten alleine oder zu dritt, in einem Wohngebiet abgesetzt und klappert gemeinsam die Straßen ab, kann selbst Pausen machen oder bei Kunden chillen.

Ich habe einige Städte markiert, wäre jedoch Schwachsinn und viel zu viel zum Lesen (und Schreiben) von jeder Woche von jedem Kunden zu schreiben, ich belasse es dann lieber bei einem guten Ueberblick mit ausgewählten Beispiel-Geschichten. Generell hatte ich persönlich den Job schon nach der dritten Woche satt, dank des vernünftigen Gehalts, den teilweise ueberguten Unterkünften auf Firmenkosten und hauptsächlich wegen der guten Zeit nach der Arbeit und den fantastischen Leuten, die dabei waren (ich liebe euch alle) blieb ich schlussendlich auch mangels Alternativideen geschlagene 9 Wochen, ich bereue jedoch nichts...