Kanti Children Hospital, Onkology Ward

16.July 2010 - Kathmandu, Nepal


Ja, die Onko im Kanti. Nun arbeite ich seit etwa sechs Wochen dort und bin nun auch eingearbeitet. Gelernt habe ich in dieser Zeit von den Medizinern das meiste ueber die Krankheitsbilder. Dabei stehen die akute lymphatische sowie akute myeloische Leukaemie als haeufigste Krankheitsbilder im Vordergrund, doch habe ich auch Nephro- (Nieren-) und Retinablastome gesehen. Keimzellentumore, viele Tumormassen im Mediastinum sowie noch einige ganz exotische Dinge. Begleitet werden diese Krankheiten durch alle moeglichen Infektionen von Pneumonien, Blasenentzuendungen, Kinderkrankheiten, Pilze und Tuberkolose. Ausserdem gibt es die klassischen Nebenwirkungen der Chemo zu sehen: Uebelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit und somit eklatante Gewichtsverluste, Fatigue, Anaemien, schlechte Blutwerte, die "repariert" wurden etc.

Ich denke, dass dies erstmal Erscheinungen sind, die auf anderen Kinderkrebsstationen auch zu sehen sind. Woran sich die Onko hier zu einer deutschen Station unterscheidet, sind die Aufteilung der Arbeitsgebiete zwischen Pflege und Medizin sowie die Arbeitsbedingungen und hygienischen Verhaeltnisse.
Von den Nurses habe ich gelernt, Antibiosen zu berechnen, Medizin (ausser Chemo bisher) vorzubereiten und Routine im Umgang mit Spritzen und Infusionen zu gewinnen. Ich weiss jetzt, was ich in Nepal tue, wenn Venen geblockt sind (weiss nicht, ob man in Deutschland auch so vor geht?!), kann Zugaenge legen und Blut abnehmen. Ich komme mit nepalischen Zahlen zurecht und kann nun die Doku eigenstaendig durchfuehren. Kann soweit mit den Patienten und Angeheorigen kommunizieren, dass ich sie anweisen kann, Medizin zu kaufen oder falsch und richtig deutlich zu machen :-). Auch wenn ich Gespraechsinhalte oft verstehe, bleibt mir die Sprache fremd und schwer zu lernen.
Dem Arzt kann ich in allem moeglichen assistieren bspw. Nasensonden fuer kuenstliche Ernaehrungen legen oder Unterstuetzung bei Lumbal- ud Knochenmarkspunktionen geben etc.

Die Aerzte sind taeglich fuer etwa zwei Stunden auf Station. Ihre Funktion ist ausschliesslich auf diagnostizieren und therapieren beschraenkt. Die Nurses uebernehmen den Rest. Somit ist der Workload erheblich, aber dies muss an nepalischen Verhaeltnissen bemessen werden. Dennoch gibt es an einigen Tagen Zeit, eine Stunde Teepause zu machen oder die Haende mit Henna zu bemalen... Das Arbeit- und Lebetempo unterscheidet sich immens von unserem. Und irgendwie kriegen die hier auch langsam alles gebacken :-).

Was die Arbeitsbedingungen betrifft, kann ich nach wie vor manchmal nur den Kopf schuetteln. Die Hygiene bleibt ein Albtraum und dies auf einer Onko, wo die Kinder so immunschwach sind. Franzi ist mittlerweile auf der burn unit, wo Besucher konsequent angehalten werden, Schuhe auszuziehen und Schutzkleidung anzulegen. Auf die Onko wird jeder Dreck dieser schmuztigen Stadt auf die Station geschleppt. Selbst die Luft ist hier ja so versmogt und mit Schmutzpartikeln beladen...Eltern, die es verstehen, lassen ihre Kinder auch nur mit Mundschutz herum laufen, aber hier kommt auch das Bildungsproblem in Nepal zu Tage. Da das Kanti ein staatliches Krankenhaus ist und umsonst behandelt, kommen Eltern von weit her. Manche Kinder sprechen noch nicht mal nepalisch, weil sie noch nicht in der Schule sind. Es kommen Familien aus Indianerstaemmen, die auf dem Krankenhausboden kochen und essen. Wenn da ein Kind ins Bett pinkelt, wird das halt mit Betttuch abgewischt und fertig. Lebensmittel liegen offen rum und solchen Eltern zu vermitteln, was Fehlernaehrung ist, ist eine echte Herausforderung. So sind hier schon viele Kinder an den Folgen mangelnder Kenntnisse gestorben: Hirnblutungen, weil keine Helme getragen werden, weil Nepalis das komisch finden. Schwere Infektionen, weil Koerperfluessigkeiten nicht getrennt und hygienisch behandelt werden. Zu schwach fuer die Chemos, weil Nasensonde abgelehnt wurden durch die Eltern.

Was auch zu den Krankenhausbedingungen gehoert ist, dass es auf einmal keine Infusionen und Spritzen mehr gibt, keine Tapes da sind, bestimmte Medis fehlen, keine Tupfer mehr da sind etc. Dann muessen die Eltern selber einkaufen. Und die Schwestern koennen erst arbeiten, wenn die Sachen da sind.....was oft den ganzen Zeitplan verschiebt....

Ansonsten sind die Heilungschancen hier gar nicht so gering. Dies hatte ich ja im ersten Bericht in Frage gestellt. Ich habe mal geguckt, wie die Heilungschancen in Deutschland fuer ALL sind (akute lymphatische L.) und habe da Zahlen um die 80 Prozent gefunden (jetzt mal ohne Quellenangaben :-)). Im Kanti werden immerhin 60 Proezent der Kinder geheilt. Unter geheilt wird verstanden, dass die Lebendauer mehr als fuenf Jahre dauert und in dieser Zeite keine Rezidive aufttreten. Die Nachsorge ist recht engmaschig und nun nach meiner Zeit hier auf der Onko kenne ich fast alle Kinder und stelle fest, dass sich irgendwie auch alle Kinder kennen :-).

Die Arbeit mit den Nurses ist toll. Ich bekomme viel Anerkennung und auch fuer sie ist es wohl das erste Mal, dass jemand so lange bleibt. Man kann sich auch dafuer entscheiden, viele verschiedene Stationen im Krankenhaus anzugucken, was eben die meisten tun. So sind dann die Einsatzzeiten auf einer Station recht kurz gehalten. Ich bin froh, das sich mich dafuer entschieden habe, zwoelf Wochen auf der Onko zu arbeiten. Man bekommt in vieles Einblick, was einem verwehrt bleiben wuerde, wuerde man nur kurz da sein. Das faengt bei den Beziehung zu den Kollegen an: waehrend wir anfangs getrennt assen, werde ich nun immer zum Tee und Essen eingeladen, ich bekomme nepalische Geschenke wie Armreife und Hennatattoos, um mich mehr zu einer nepalischen Frau zu machen :-), werde privat eingeladen....dann die Patienten und Angehoerigen, die einen natuerlich viel mehr akzeptieren, dann aber auch Dinge, was das Krankenhaus betrifft.

Die Arbeit macht mir einen riesen Spass. Ich konnte mir vor dem Einsatz weder Kinderpflege noch Arbeits auf einer Onkologie vorstellen. Dies hat sich hier ins Gegenteil verkehrt. Kinder wissen so gut Bescheid ueber ihren Koerper, ihren Zustand und ihre Krankheit, dass es mich eine grundsaetzliche Lektion hat lernen lassen. Die Kinder geben hier den Ton an. In vielerlei Hinsicht: das kann bedeuten, dass ein Arbeitstag ein einziges Geschrei von Schmerz und Plage ist, aber auch genau das Gegenteil. Mehrmals dachte ich schon, dass ein Kind heute sterben wird und am naechsten Tag ist es quicklebendig auf dem Gang herum gesprungen. Am besten hoert man auf die Kindern, wenn man noch gesunde Venen fuer die Zugaenge finden moechte, denn sie koennen einem das am ehesten sagen. Und gerade ich, als fremde Studentin, habe gelernte, dass im Zweifelsfall die Kinder fragen, immer weiter hilft.

Jeden Donnerstag gibt es mediznische Vortraege von Aerzten und Nurses im Krankenhaus mit einem lunch umsonst. Das ist auch sehr spannend. Letzte Woche war Palliativpflege bei Kindern. Nepal ist weit weg von unserer Palliativpflege, umso spannender ist es, wie sich Aerzte und Pflege diesem Thema annaehern und wie kontrovers hier diskutiert wird. Da gibt es die komplette Ablehnung von Palliativpflege, Fragen um aktive und passive Sterbehilfe, Schmerzen, Verantwortung von Pflegekraefte, Aerzten und Krankenhaus....etc.

Also langweilig wirds hier nicht und jeder Tag ist eine neue Bereicherung!