Ich lebe noch!

02.January 2013 - Goonidiwindi


Ich wache auf. Durch die Vorhänge fällt Sonnenlicht ins Zimmer, welches gefühlte 30°C warm ist. Vielleicht ist e hier wirklich so warm, nach einer Weile in Goondiwindi ist mein Temperaturgefühl nach der Aufnahme des Wertes 40°C in die Kategorie " normales Wetter", nachhaltig geschädigt. Ich kann noch nicht lange geschlafen haben, also drehe ich mich um, um meiner anderen Körperhälfte auf die Chance zu geben, die Matraze voll zu schwitzen. Die Minuten verstreichen, doch mein Hirn weigert sich wieder auf den Schlafmodus umzuschalten. Verständlich. Heute ging es ja nur 5 Stunden auf die Farm, da der Bewässerungszyklus wieder begann. Demnach bin ich gegen 6 Uhr aufgestanden und nun war es 16Uhr und ich hatte schon eine Stunde schlaf auf dem Konto. Keine guten Vorraussetzungen. Jedenfalls nicht bei der Hitze. Ich schländere in Richtung Küche und bemerke auf dem Weg ein weiteres Opfer der Temperaturen. Obwohl die Franzosen sogar 12 Stunden gearbeitet haben, liegt einer von ihnen vor dem Fernseher, um im stumpf-blöden Australischen FreeTV den Schlüssel zur Müdigkeit zu finden. Kein schlechter Plan, aber meiner sieht anders aus. Ich schnappe mir eines der jeden Tag frisch für die Arbeit zubereiteten Sandwiches aus dem Kühlschrank und beginne voller Selbsthass zu essen. "Die musst du später wieder neu machen...", denke ich mir aber das ist jetzt auch egal. Nun liege ich wieder im Bett und schreibe nach über einem Monat mal wieder Blog. Das heißt die komplette Adventszeit mit Weihnachten und Silvester, eine lange Zeit in der viel passieren kann... Eingentlich... Aber ich bin in Goondiwindi, und alles läuft etwas ruhiger ab. Selbst die Geschäfte haben am Sonntag zu, was für australische Verhältnisse nahezu Absurd erscheint. Doch den Leutenscheint ihr Kleinstadtleben zu gefallen, man sei ja schnell in Toowoomba (ca. 100.000 Einwohner 250km entfernt) oder in Brisbane (Über 1 Moi. Einwohner 360km entfernt). Und jetzt bitte ich jeden Leser eine Deutschlandkarte zur Hand zu nehmen und einen Ort zu suchen, der 250km von der nächsten Stadt mit über 100.000 Einwohnern entfernt ist. Ihr werdet nicht einmal Annähernt einen solchen Ort finden. Ein weteres Beispiel für die unglaubliche leere um diesen Ort herum bietet der Radiosender, der uns auf der Arbeit mit der neusten Musik versorgt und regelmäßig mit seinem enormen 300.000km² großen Sendegebiet wirbt, mit dem über 90.000 Menschen erreicht werden. Zum Vergleich, Deutschland ist 357.000km² groß und beherbergt 82Mio. Menschen. Aber um auch dem Letzten von euch klar zu machen, dass hier die Uhren etwas anders ticken, für den habe ich noch eine Kennzahl, die mir in der westlichen Welt eigentlich keiner glauben kann. Der Benzinpreis bei der lokalen Shelltankstelle hat sich seit unserer Ankunft nicht auch nur um einen Cent verändert.

Was mache ich hier also seit nunmehr über 6 Wochen an diesem Ort? Ich stütze mich auf ein drei Säulen System. Diese Säulen sind, Arbeit, Schlafen und die Zeit in der es für mehr als 2 Tage keine Arbeit gibt und ich jede Sekunde in Goondiwindi verfluche.
Fangen wir mit der dritten Säule an. Als es für Sebastian und mich hieß, dass wir einen Job haben, der 12 Stunden am Tag, bis zu sieben Tagen in der Woche in Anspruch nehmen wird, dachte ich mir nur, "oh nein, hoffentlich haben wir viel frei." Rückblickend lässt sich sagen, dass sich meine Ansichten diesbezüglich stark verändert haben. Nach einer Woche Arbeit mal einen oder zwei Tage frei zu haben ist sehr angenehm, es wird Ausgeschlafen, mal in ruhe Eingekauft, die Muskeln können sich mal wieder entspannen und man hat Zeit etwas leckeres zu kochen. Auch der Umstand, dass im Fernseher nur Mist läuft stört einen nicht, da man in einer Wolke aus tiefenentspanntheit schwebt, mit dem Gefühl, dass man viel gearbeitet hat und es reicht seinen Tag mit nichtstuen zu verbringen. Diese Gefühlslage schlägt am dritten Tag um. Man merkt, dass jeder Tag in Goondiwindi, an dem man kein Geld verdient, ein verschenkter Tag ist und man merkt, dass man sich nicht auch nur im Ansatz für die ganzen Angelserien interessiert, die hier so den ganzen Tag im TV laufen. Rausgehen ist auch keine Alternative, weil es einfach zu warm ist und es nichts zu tun gibt. Da man sich deshalb aus frust mit Süßigkeiten vollstopft hat man am Abend auch keine große Lust mehr etwas zu kochen. So sahbeispielsweise zu großen Teilen die letzte Woche aus, da es zu viel geregnet hat. In Sachen abends ausgehen hat Goondiwindi ein paar Pubs zu bieten, die am Wochenende sogar bis 1Uhr morgens auf haben... Ich lasse diesen Umstand jetzt mal unkommentiert... Jedenfalls verschlug es uns auf anraten unserer irischen Mitbewohner am letzten Samstag in einen Pub und wir wurden bitter enttäuscht. Uns wurde zwar gesagt, dass es wohl an den Ferien gelegen haben kann aber es haben sich ganze 30 Leute im Pub eingefunden. Und von denen kannten wir soger 5 von der Arbeit... Es war ein Trauerspiel... EinTrauersspiel mit einem Bierpreis von 5,40$... Am Ende der noch zwei Sätze zum Thema Weihnachten und Silvester. Am 25. und 31.12. Ging es für uns auf die Farm. Zum Jahreswechsel rechnete mir Kollege Fill vor, dass wir an jenem Tag ca. 1500 Pipes gestartet hätten... Was für ein Silvester...

Zum Thema schlafen lässt sich sagen, dass ein Haus angenehmer ist als ein Van, wobei ein Deckenventilator kein Ersatz für eine Klimaanlage ist. Der beste Beweis dafür, möchte zwar nicht genannt werden, sitzt jedoch immoment in seinem Bett und schreibt Blog.

Nun zum Grund, warum ich überhaupt hier bin: Die Arbeit. Mittlerweile schaufel ich zwar weniger, dafür geht es zwischen den Bewässerungen hin und wieder für 8 Stunden am Tag zum Unkrautjähten. Genauer geagt, müssen wir die Baumwolle auf einem Pidgeonpeafeld entfernen, welches die Aufgabe hat, die Käfer von der weniger gut schmeckenden Baumwolle fernzuhalten. Warum wir jedoch die Baumwolle aus diesen Feldern entfernen sollen und uns dabei beliebig Zeit lassen können und ohne weiteres wieder mit der Bewässerung anfangen können, selbst wenn das Feld noch nicht fertig gejähtet ist, ist uns noch nicht ganz klar, die Arbeit steht jedoch stark im Verdacht, nur eine unnötig Kostenintensive ABM zu sein. Wir könnten in der gleichen Zeit uns also genausogut zusammensetzen und ein Teaterstück einstudieren, welches wir am Ende des Tages den Farmern präsentieren. Aber das wäre sicherlich nicht halb so amüsant für sie, wie uns aus ihren Klimatisieren Autos herraus auf dem Feld schwitzen zu sehen... Mit anderen Worten: Drecksjob.
Das Bewässern hingegen ist zwar nicht auf allen Farmen gleich anstrengend aber immer um längen besser als das Cottonchipping. Auf unserer Farm sitzen wir die meiste Zeit im Auto und checken Waterlevel. Mit anderen Worten, die Backpacker machen oft gar nichts. Die Action beginnt, wenn es dann ans wirkliche Bewässern geht. Man stelle sich ein Feld vor, mit einem Wassergraben an einer Seite des Feldes. Unsere Aufgabe ist es nun, dieses Wasser mit hilfe einer speziellen Hang-aunsaug-technik durch 1,2 oder 3 inch breite Rohre, aus dem Graben, auf das Feld zu befördern. Mit dieser Erklärung hätte ich es auch nicht verstanden, aber ich werde in naher Zukunft ein Video hochladen. Anschließend werden wieder Waterlevel gecheckt. Ich möchte nicht soweit gehen, dass ich den Job mag, aber es hätte uns definitiv schlimmer treffen können. Das Farm Vokabular lässt sich auf einige wenige Begriffe zusammenkürzen: Fuckin' Ute (Das Auto), fuckin' Channel (der Kanal), fuckin' Water (das Wasser), fuckin' Pipes (die Rohre), fuckin' Dave (der Mitarbeiter, wobei der Verdacht besteht, dass speziell Dave gemeint sein könnte) und das wichtige fuckin' fuck (Universalbegriff). Ein Beispielsatz ist also: "Fuckin' fuck, I hate this fuckin' job, the fuckin' dickhead Dave, let the fuckin' water dropping in the fuckin' channel, so we have to restart the fuckin' pipes". Das Abschließende "fuck it" ist optional aber keineswegs essenziell.

Damit wünsche ich euch allen ein frohes neues Jahr. Mein guter Vorsatz ist natürlich wieder öfter Blog zu schreiben. Im nächsten Eintrag werde ich dann auf die lokale Tierwelt eingehen. Gruß Fabian