Geliebtes Melbourne

10.February 2012 - Melbourne


Gestern kam ich, diesmal ohne Verspätung seitens Jetstar, an der Southern Cross Station an. Mit einem 15 Kilo leichten Rucksack machte ich mich also auf den Weg in das Exford Hotel, in dem ich vorher schon war. Die Stadt begrüßte mich mit unzähligen (skurrilen) Straßenkünstlern und ich sie meinerseits mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Nach dem Einchecken verbrachte ich Stunden in der Bibliothek. Bilder sortieren und hochladen, Facebook und Mails checken usw. Alles, was auf einem Roadtrip zu kurz kommt. Abends fiel ich, immer noch ungeduscht, ins Bett. Am nächsten Morgen hatte ich mich mit Thomas (aus Bowen) verabredet. Aufgrund eines Versehens von ihm, stand ich schon um 7 Uhr auf. Machte aber nichts, denn so konnte ich wenigstens meine Wäsche waschen und in den Trockner werfen. Der penetrante Rauchgestank ist wirklich nicht auszuhalten.
Auch ich bekam endlich eine Dusche zu Gesicht und stand schließlich um 10 Uhr am Queen Victoria Market. Dort traf ich Thomas, wir redeten, nahmen den kostenlosen Touristenbus und liefen durch Parks, Gärten und ein Denkmal. Danach aßen wir etwas bei Subway und jeder ging seines Weges. Meiner führte mich ins "ACMI" (Australian Center for Moving Images), das ich von Thomas empfohlen bekommen habe. Es war mittlerweile 14 Uhr und ich schlenderte in das ungewöhnliche Museum, das eigentlich gar nicht so groß ist. Trotzdem gibt es eine Menge zu sehen, zu tun und zu lesen. Die Geschichte des Films, des Internets, der Videospiele (und Computer) und des Fernsehens sind mit vielen Beispielen eindrucksvoll dargestellt. So konnte man z.B. uralte Spiele, eigentlich für den Fernseher konzipiert, spielen, sich Filmausschnitte von Stumm-, Schwarzweiß-, Farb- und modernen Filmen ansehen (meine Favoriten waren eindeutig "King Kong" und natürlich mein heiß geliebtes "Schneewitchen" von Disney). Es gab Beispiele von "Spezialeffekten", die in Filmen von 1930 eher amüsant als angsteinflößend wirken, der Übergang von Stumm- zu Tonfilmen wurde erklärt und bei moderneren Werken wie "Toystory", das ich als Kind natürlich gesehen habe, stand ich lächelnd und in Erinnerungen schwelgend vor dem Bildschirm.
Interessant war auch, dass man von Super Nintendo, über die Xbox, bis zur Playstation 2 und Nintendo Wii alle Spielekonsolen ausprobieren durfte. Es war schon seltsam, Super Mario auf der N64 in einem MUSEUM zu spielen, als zweitältestes Gerät, das ausgestellt wurde. Immerhin besaß ich lange Zeit so ein Teil und das Spiel könnte ich heute noch im Schlaf durchspielen. Trotz meiner 20 Jahre fühlte ich mich in dieser Situation sehr alt.
Auch sehr viele alte PC-Spiele probierte ich aus. An der ersten Version eines Fußballspiels an irgendeiner Konsole (welche habe ich leider vergessen) hielt ich mich relativ lange auf, verlor aber alle drei Spiele. Das war irgendwie frustrierend und ich wechselte zum Spiel "Sonic", das aber, wohl aufgrund meines zu wilden Tippens auf der Tastatur, hängen blieb. Ich machte mich aus dem Staub in den nächsten Teil der Ausstellung. Hier waren u.a. Farben das Thema, außerdem konnte man einen Filmausschnitt mit Musik und Soundeffekten ausstatten. House-Musik zu einem alten Schinken, in dem ein Paar tanzt und sich ziemlich schlecht miteinander prügelt, war ziemlich amüsant.
In einer Art Kugel konnte man einen Knopf drücken, dann wurde man ca. drei Sekunden von schätzungsweise zehn Kameras in Zeitlupe und von allen Seiten gefilmt. Den Film konnte man an eine E-Mailadresse schicken, was ich auch tat.
In einer anderen Ecke des Museums ging es um visuelle Effekte, bzw. Retuschierung mit dem Computer. Als Beispiel lief der Film "Australia". Zu sehen waren die original gedrehten Szenen und die bearbeiteten. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Da wurde auf ein einstöckiges, brennendes Gebäude ein weiteres Stockwerk hinzugefügt, dazu noch viel Rauch. Zum Pier (in Bowen!) wurden riesige Schiffe hinzugefügt. Krass war auch, dass man das meiste gar nicht gemerkt hätte. Die Rinderherde beispielsweise sieht so realistisch aus, dabei ist alles nur am Computer entstanden.
Man erkennt also vielleicht, dass ich total begeistert war und viel Zeit dort ließ. Als ich endlich fertig war, entdeckte ich natürlich eine zweite Gallerie mit kreativen Spieleideen eines Wettbewerbes. Leider war es schon 17 Uhr und das Museumspersonal bat uns, zu gehen. Vier Stunden hatte ich dort verbracht, Wahnsinn. Gesehen habe ich trotzdem noch lange nicht alles.
Auf dem Weg zum Hostel war die Hölle los. Viele Menschen, eine Bühne war auf dem Fed. Square aufgebaut, jede zehn Meter standen Straßenmusiker oder -maler, die Polizei war zu Pferd und zu Fuß unterwegs. Ich ging nur kurz ins Hostel, um mir eine lange Hose anzuziehen und eine Jacke zu holen. Keine Sekunde wollte ich das pulsierende Leben draußen auf den Straßen verpassen. Ich schlenderte durch Souvenirshops, hörte einigen guten Straßenmusikern zu, von denen es hier nur so wimmelt, und ließ mich am Federation Square nieder, um der Band zuzhören. Die spielte Country, nicht hundertprozentig meine Musikrichtung (Johnny Cash ist bei mir eher die Ausnahme), aber die Texte sprachen mir teilweise aus der Seele, man sah den Musikern an, dass sie Spaß an der Sache haben, der Keyboarder war phänomenal. Kurz: Es war ganz viel Herz dabei, die Stimmung im Publikum war super, es wurde getanzt und so blieb ich eine ganze Weile. Auf dem Rückweg nahm ich einen Umweg und lief an einem Plattenladen vorbei, von dem ich heute gelesen hatte. Dort werde ich morgen vorbei gehen und vielleicht Daniels und meine CD besorgen. Bei den Straßenmusikern waren meistens Menschenmengen, einmal wurde kräftig getanzt. Einfach so, mitten auf dem Bürgersteig. Mit einem weiteren Lächeln im Gesicht ging ich zurück ins Hostel.
Ich liebe Melbourne, habe ich das schon gesagt? Es gibt dauernd kulturelle Events, die Stadt ist nicht halb so hektisch wie z.B. Sydney, es gibt nicht zu viele hässliche Wolkenkratzer und mehr fällt mir leider auch nicht ein. Außer, dass ich mich in diese Stadt verliebt habe. Hoffnungslos.

In fünf Tagen fliege ich nach Hause. Leider muss ich gestehen, dass die negativen Gefühle überwiegen. Es fühlt sich schlecht an. Falsch. In dem letzten halben Jahr hatte ich das Gefühl, frei zu sein. Dem System ein Stück weit entkommen zu sein. Der Gesellschaft. Einfach das zu tun, worauf ich Lust habe. Die Orte zu besuchen, die mich interessieren. Das zu machen, was ich wirklich will. Natürlich war das Geld immer ein Hindernis, das immer wieder auftauchte. Trotzdem werde ich mich in den nächsten Jahren wohl kaum so frei und gut fühlen, wie ich es jetzt noch tue. Bald fliege ich nach Frankreich, wo ich arbeiten und lernen werde. Natürlich freue ich mich auch irgendwie darauf, aber ich bin an diesem Ort für fünfeinhalb Monate gefangen. Danach werde ich studieren, das wird auch nicht anders laufen. Anschließend fängt man an zu arbeiten und dann ist endgültig alles verloren. Ist das wirklich der Sinn des Lebens, sein ganzes Leben lang zu ackern? Ist es nicht viel sinnvoller, so viel wie möglich von dieser wunderbaren und grausamen Welt zu sehen, zu verstehen und zu lernen? Wenn bloß das liebe Geld nicht wäre...

Das waren meine eher bauernphilosophische Gedanken. Keine Ahnung, ob man das als Daheimgebliebener verstehen kann. Bis bald.