Monster II

08.July 2011 - Chaotenhausen


Das dumme an fremden Monstern ist, dass man sie nicht verscheuchen kann. Wenn ich meine genug nerve, hauen sie beleidigt ab, aber hier standen wir vor einem Problem. Der kleine Zweifel hatte sich irgendwie befreit und sein ständiges ?Hab ich dir doch gesagt.? machte mich wahnsinnig. Der kleine Angst drückte sich noch enger an mich, Mut schaute mich nur mit großen Augen an und die kleine Freude zog sich die Decke über den Kopf.
?Es ist besser so.?, sagte seine kleine Vernunft. ?Blöde Ziege!?, erwiderte mein kleiner Mut. Ich sah beide an und fragte mich, wie wir wohl schlafen sollten, wenn die sich so ankeiften. Und so ein Bett kann verdammt groß sein, wenn man nicht weiß, wo man hingehört.
?Ich geh nur nochmal schnell ins Büro und checke ein paar Emails.?, hörte ich den tollen Typen sagen. Der kleine Mut und ich sahen uns an und sagten beide: ?Feigling!?. Wir lächelten. Seine kleine Vernunft fand das gar nicht witzig. Wir schliefen letztendlich alle aneinandergeschmiegt ein ? zwei erwachsene Menschen und ihre kleinen Monster und es war trotzdem noch Platz.
Am nächsten Morgen zogen der Zweifel und Angst mir an den Haaren und ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Der kleine Mut war weg und hatte die kleine Freude mitgenommen. ?Mist!?, entfuhr es mir und der kleine Angst nickte. Wir gaben unser bestes. Wir lächelten tapfer, aber es blieb nicht und ich frage mich, wie ich jemals diese Sorgenfalten loswerden soll, die sich dann zwischen meinen Augenbrauen zusammenziehen.
Gegen seine kleine Vernunft kamen wir nicht an. Wir wussten, dass wir gehen sollten und wir hörten unsere eigene kleine Vernunft, die uns dasselbe sagte ? wo kam die denn jetzt bitte her? Okay, ein Monster mehr oder weniger war nun auch egal, aber diese beiden Vernunftsmonster gingen gar nicht.
Ich hörte ihn vieles sagen, was vernünftig war. Ich konnte ihn verstehen, weil es vernünftig war, aber ich hatte verdammt noch mal die Nase voll von dieser Vernunft, weil sie uns einfach nicht weiterbrachte und weil sie mich nicht glücklich machen konnte. Während er ins Büro ging, weinte der kleine Angst auf meinem Schoß und ich war wie erstarrt. Die kleine Freude war kreidebleich.
In dem Moment, in dem meine kleine Vernunft sagte: ?Lasst uns gehen!?, kam der kleine Mut um die Ecke, schrie und boxte und kniff mich, wo immer es ging und irgendwie kam er mir größer vor als sonst. Er zerrte mich ins Büro, setzte mich auf den Stuhl und während ich sprach, wusste ich, dass ich endlich endlich endlich alles sagen würde, was mir auf dem Herzen lag. Der kleine Mut hielt mir die Hände, als ich zum ersten Mal von ganzem Herzen ehrlich zu mir selbst und diesem anderen Menschen war.
Auf dem Weg zum Bahnhof schwiegen wir wieder, aber diesmal war es leichter. Der kleine Mut lächelte noch immer und hielt dem kleinen Angst die Hand. Der kleine Zweifel war verschunden, aber dafür hatte die kleine Freude wie rosa Wangen und meine kleine Vernunft nickte mir zumindest freundlich zu.
Wir verbrachten den Tag so gut, wie es eben ging. Wir lachten sogar und genossen die Sonne. Uns fehlte etwas und trotzdem waren wir ein Monster mehr. Unterwegs hatten wir die kleine Sehnsucht aufgelesen und sie bei uns behalten.
Als wir schlafen gingen, hielt ich sie alle im Arm und versuchte ihnen zu sagen, dass alles gut ist, auch wenn wir es gerade noch nicht sehen könnten. Als sie mich fragten, ob ich das selbst glauben könnte, musste ich lachen. Ich deckte uns zu und dann hörten wir, wie uns ein anderes Monster ein Gute-Nacht-Lied sang. Dieses Monster war größer als alle anderen. Es war auch stärker und es lächelte uns liebevoll zu. Es war die große Hoffnung, die uns nie allein lassen würde.