Flug nach Brisbane

04.January 2011 - Brisbane


On my way down under?

Es ist früh morgens, geschlafen habe ich fast gar nicht, es ist einfach zu aufregend, zu unvorstellbar. Ich fliege heute Abend, um 22 Uhr nach Australien! In ein Land, welches weiter weg kaum liegen könnte, 23 Stunden Flug, ca. 16000 Kilometer.
Ich werde für mindestens 4 Monate keine Angehörigen mehr sehen.
Kurz vor der Zugfahrt zum int. Flughafen Frankfurt, werden noch wichtige Dokumente kopiert und eingescannt, es vergeht wie im Rausch. Die komplette Australien-Planung vergeht wie in einem Satz.
Die Idee zu diesem unfassbaren Trip nahm ich erstmals in einer Fernsehsendung wahr. Es muss bereits im Sommer 2008 gewesen sein. Ich sah zwei Jungs, die sich aufmachten, auf ein Work-And-Travel-Abenteuer in Spanien. Der Zuschauer sah das Glück, welches diese Jungs bei der Ernte an Erfahrungen und Eindrücken sammelten, aber auch das Pech, als das Geld knapp wurde und die Suche nach einer geeigneten Unterkunft nicht gelang. Ganz bewusst erkannte man, dass man eigentlich nicht näher am Leben dran sein kann, als bei einem solchen Trip. Jeder Schicksalsschlag trifft einen direkt und beginnt sofort. Das kann bei einer schlechten Vorbereitung anfangen und bei einem leerem Konto enden. Dafür erhält man aber die vollständige Entscheidungsfreiheit. Denn bei solch einer Reise, ist man an niemanden gebunden, muss man niemanden etwas versprechen oder beweisen, sondern ist einzig und allein auf sich selbst angewiesen. Das ist der Reiz!
Jetzt sitze ich im Zug nach Frankfurt und sehe draußen den kalten Schnee als weiße große Decke vorbei ziehen. Am Donnerstag habe ich ca. 26 Grad wenn alles gerade läuft.
Hab ich alles auch eingepackt?
Ich schaue in die Gesichter der anderen Zuggäste und überlege mir idiotischerweise, ob sie wissen, was ich noch vor habe. Vor mir sitzt eine Mitte Zwanzig Jährige und liest ein englisch-sprachiges Buch, während zwei Stöpsel im Ohr sie mit Musik beschallen. Na, kommste drauf, frag ich mich. Sie ist voll konzentriert beim Buchstaben-Puzzle. Oder vielleicht weiß sie ganz genau, was ich vor habe und gibt mir einfach nur durch ihre Ausstrahlung eine Antwort. Hmm wenn das so wäre, dann wird die Reise das Langweiligste, was man sich überhaupt vorstellen kann. Sehe ich mir die ältere Dame zu ihrer Linken an, dann wird diese Reise kritisch, wenn nicht gar verlustreich. Die anderen Fahrgäste ignorieren mich, vermutlich sind sie so neidisch, dass sie fast platzen, deswegen ist es auch so still im Wagen, weil sie sich alle konzentrieren müssen, damit keine Explosionen stattfinden.
So, genug mit dem Blödsinn, aber ein bisschen Ablenkung gehört jawohl dazu. Der Flug macht mir nämlich zu schaffen. Das letzte mal nämlich als ich im Flieger saß, sahen Handys noch wie Koffer aus und Schamhaare galten als Schick.
Auch wenn alle mir zureden, das Fliegen total "easy" sei und Luftlöcher voll witzig und ja genau mehr Menschen mit dem Auto ums Leben kommen als mit dem Flieger, beruhigt mich das nicht wirklich. Vielleicht die Aussage, das mehr Menschen bei der beliebten ZDF-Sendung "Reich und Schön" ins Koma fallen als mit dem Flugzeug abzustürzen, würde die Lage etwas entschärfen. Wobei, vielleicht stimmt diese Aussage sogar?
Ich bekomme Hunger, weiß aber dass ich nur zwei Bissen schaffen werde, weil ich vor lauter Aufregung nichts runter bekomme.
Der Abschied von den Familienangehörigen beim Brunch und mit den Freuden in einer beliebten Starnberger Bar, war schmerzhaft und schön zugleich. Schmerzhaft, weil ich wusste, dass ich sie alle eine längere Zeit nicht sehen werde und es doch nicht wahrhaben konnte. Und schön, weil das Zusammensein diesmal richtig intensiv war. Trotzdem realisier ich das immer noch nicht, einfach unvorstellbar.

Das Rumpsteak sitzt! Es geht los Richtung Flughafen. Um noch einmal in den Genuss von gutem, sattmachenden Essen zu gelangen, tischten Meyers noch einmal ordentlich auf.
Bei einem letzten gemeinsamen Essen mit Helges Eltern, plus Alina und ihrem Freund, wurde noch einmal das Gepäck durch durchgegangen und Herr Meyer erzählte uns von seinen Flugerfahrungen.
Es ist mittlerweile dunkel geworden in Deutschland. Das bedeutete für uns, dass der Flug unmittelbar bevorsteht. Ein Jahr und drei Monate Planung scheinen zu Ende zu gehen. 15 Monate voller Geld zählen, Entscheidungen treffen und Routen zusammenstellen. Das war nun alles pasé. Jetzt musste einfach alles stimmen, denn die Uhr zeigte dass wir uns schleunigst auf den Weg Richtung Airport machen mussten.
Es kribbelt.
Gepäckaufgabe, letztes Telefonat gen Heimat und schon mussten wir zum Check-In. Letzte Verabschiedungen mit Meyers, es kann losgehen - dachte ich. Doch ein wenig gutgelaunter Kontrolleur beim gefühlten 93 Passkontrollstand, wollte mal wieder meinen Pass sehen. Da ich nicht wusste was genau er wollte, weil er mich einfach nur anstierte und auf jede falsche Bemerkung von mir zu lechzen schien, legte ich ihm einfach meine Flugtickets zuerst hin. Der Kontrolleur schien sein Ziel erreicht zu haben ("Endlich wieder einer der es nicht checkt! Ich darf meine Macht ausüben, welche ich in diesem kleinen Abteil auf Deutschlands größtem Flughafen, nur selten zeigen kann?, dachte er sich). Benno hielt kurz inne, wir beide wussten nach einer halben Ewigkeit nun, dass ich was falsch gemacht habe. Als Benno sich wieder fing sagte er trocken und machbesessen ?Vielleicht gibste mir einfach mal den Pass?. Nach einem Dialog über meine vergangenen Pässe (eines wurde gestohlen ? was Benno alles weiß?), ließ er mich passieren.
Letztes Essen: Burger King. Da wir die nächsten 23 Stunden voraussichtlich nur hochwertiges Flugzeug/Krankenhaus-Futter zu uns nehmen werden, mussten wir noch schnell beim Amerikaner vorbei sehen, wer weiß wann wir den wieder sehen werden? Doch auch hier wurde Freundlichkeit und geistiges Vermögen nicht groß geschrieben. Der Verkäufer schien mir ein entfernter Verwandter von Benno!
Die letzte Überbrückung vor dem Einstieg war die Sicherheitskontrolle. Kurz vor den Kontrollen kam mir der Gedanke, dass ich meine Jacke inklusive MP3-Player beim Ami vergessen hatte. Nun hieß es wieder geschätzte 90 Kilometer durch den Fraport zu rennen um noch rechtzeitig anzukommen. Verfolgt von nervösen Polizisten-Blicken (schnelle Passagiere scheinen wohl besonders verdächtig zu sein) erreichte ich die Kontrollen, rechzeitig mit meiner Jacke und entsprechendem Musik-Spieler.
Im Sicherheitsbereich trafen wir dann Alina wieder, die gerade ihren Freund leise Servus sagte. Doch auch Helmut (Helmi), ihr orangene kleine Stoff-Fisch und Talisma konnte die Tränen nicht aufsaugen, die so mancher Abschied mit sich bringt.
Ich hab jetzt nur noch den Flieger vor Augen. Wir gehen durch die letzte Passkontrolle, durch den engen kleinen Gang, der uns von mit der kommenden Luftfahrt verbinden wird. Ein letzter Händeklatsch an die Außentür "bring uns sicher nach Abu Dhabi!
Enge Plätze - komische Kostüme der Stewardessen - Decken - Kissen ? randvolles Flugzeug ? Entertainment-Programm vor der Nase.Das sind die Dinge, die ich wahrnehme bevor es zu der Situation kommt, vor der ich mich am meisten fürchtete: das Zuschlagen der Türen. Jetzt gibt es keinen Ausweg mehr. Jetzt kann es nur noch nach oben gehen. Nach einer halben Ewigkeit, in der der Pilot eine geeignete Startbahn sucht, hält er an. Ruhe. Plötzlich fangen die Triebwerke an zu schreien. So laut, dass man meint, man sitzt direkt darauf. Auf unseren Bildschirmen sind Kameras angebracht, die es jeden Passagier ermöglichen ein Auge des Piloten zu sein. Jeder sieht nun, dass sich die Maschine mit ungeheuerlicher Kraft in Bewegung setzt. Die Triebwerke rechts wie links wollen nur eines: mit Vollgaß nach oben. Das passiert dann auch. Das Flugzeug wackelt heftig, die Lichter ziehen wie Laser vorbei, die Verkleidung rumpelt, die Köpfe der Insassen nicken im Takt. Und plötzlich haben wir den Bodenkontakt verloren, wir schießen zu den Frankfurter Sternen hinauf , ein wahnsinns Gefühl war das! Einfach unglaublich?

Der erste Stop hieß nach 7 Studen Abu Dhabi. Nach einem einwandfreien Flug landeten wir im Nichts. Dort mussten wieder drei Stunden verstreichen, ehe wir und wieder mit einen Plätzen in der Mitte des Flugzeuges, Mittlere Reihe, in der Mitte begnügen mussten.
Doch diesmal zeigte sich der Flug von einer anderen Seite. Als wir gerade das Mittagsessen zu uns nahmen, rauschten wir in ein Luftloch hinein, welches uns ein gutes Stück Richtung Meer sacken ließ. Alle Insassen mussten sich der Kraft des Magneten Erde ergeben und sackten im Takt mit dem Kopf nach unten, ohne auch nur den Hauch einer Chance zu haben, sich dem zu entsetzen. Das Essen schmeckte daraufhin niemanden mehr, sodass die mehr oder weniger freundlichen Stewardessen viele Reste von teilwese Käs-weißen dreinschauenden Passagieren entsorgen mussten.
Wir kamen dann, nach ein paar weiteren, aber weitaus harmloseren Löchern, nach weiteren 7 Stunden in Singapur, gegen 22 Uhr bei 26 Grad an. Singapur gab uns 1,5 Stunden zu herumlaufen Zeit und nahm mir aber meine "Med-3"-Zahnpasta ab, weil diese vermutlich zu viel war für asiatische Zähne, da Frankfurt und Abu Dhabi mich mit diesem "Monstrum" ohne zu Zucken durchwunken.
Der Flug nach Brisbane verlief ohne Zwischenfälle, außer dass sich die Vorderfrau oft übergeben musste und einige male das Personal aufforderte neue Spucktüten zu ordern.
Die Landung in Brisbane ruckelte ordentlich, da hier ein großes Gewitter (in ganz Australien vermutlich das einzigste) herrschte, welches Queensland bekannerweise seit mehreren Wochen in Atem hält.
Wir landen und ich kann es immernoch noch nicht glauben. Erst als ich mich von meinen Begleitern getrennt habe und alleine im Zug an den prächtigen Bauten vorbei fahre in Richtung Hostel. Einzig das Wetter ist irreal...