eine andere Welt

16.February 2009 - Raiganj


Vor ein paar Tagen war ich in Rahutara, einem Dorf ca. 70 km von Raiganj. Ich hab dort in einem Pairish gewohnt, wo andere Fathers leben, und habe von dort mir einige Dörfer angeguckt, die von SWI unterstützt werden.
Um dort hinzukommen musst ich erst mal 2 Stunden mit dem proppenvollen Bus nach Malda fahren. Mein größtes Problem ist, dass indische Stühle, Bänke, Sitze nicht für dicken deutsche Ärsche geschaffen sind ? Alle Inder, sogar die pummeligen Männer haben Hüften wie Kinder, aus meiner Sicht. Deswegen ist es immer ziemlich anstrengend auf einer Bank zu sitzen, die etwa so breit ist wie ein deutscher Zweisitzer, aber hier ausgelegt ist für 3.Danach mussten wir in umsteigen und nochmal eine Stunde mit einem anderen Bus fahren. Ich hatte keinen Sitzplatz und der Bus war so voll, dass man sich nicht mehr bewegen konnte, aber alle haben versucht einen armen Mann zum aufstehen zu überreden, nur dass ich mich da hinsetze. Hab mich aber geweigert und bin stur stehen geblieben.
In Rahutara hatte ich dann mein eigenes Zimmer mit Bad, was hier totaler Luxus ist.
Ich hab mit Giten 4 oder 5 Dörfer angeguckt. Er arbeitet für SWI und hat mir alle Fragen beantwortet und übersetzt, was alles so in Bengali gesprochen wurde.
Hauptsächlich haben wir mit den Bauern geredet. Sie werden unterstützt, indem ihnen gute Samen gegeben werden, die sie dann anbauen und man zeigt ihnen Methoden zum Biokompost und sowas.
Wenn ich in das Dorf komme, sind die meisten erst mal etwas eingeschüchtert aber interessiert. Es dauert nicht lange und dann hat sich das halbe Dorf um mich versammelt. Als Gast bekommt man immer einen Stuhl angeboten, Das ist meistens ein Plastik-Garten-Stuhl. Alle anderen stehen um dich rum oder sitzen auf dem Boden. Das ist schon mal ein komisches Gefühl.
Der Ablauf ist eigentlich immer gleich. Man bekommt dann Tee und Kekse angeboten und wenn die geschäftlichen Dinge erledigt sind fangen die Dorfbewohner an Fragen zu stellen.
Als erstes stellen sie erst mal fest , dass ich ihre Sprache nicht spreche, ich glaube das finden sie lustig zu wissen, dass sie sagen können, was sie wollen und ich werde sie nicht verstehen. Dann fragen sie nach meinem vollen Namen und Titel. In Indien erkennt man am Namen, welcher Kaste du angehörst, das meinen sie mit Titel. Ich versuche zu erklären, dass ich keinen habe und nenne ihn meinen Namen.
Münch kann aber niemand aussprechen, noch nicht mal Chelsea kann das. Das ist immer wieder lustig, alle möglichen Arten von Munk, Munsch, Muensch?. Zu hören und sie lachen auch immer über sich selber.
Dann fragen sie nach deinem Alter, Herkunft natürlich auch und warum du in Indien bist. Ganz hoch im Kurs steht auch die Frage mit wem ich zusammen lebe und was meine Eltern für einen Beruf haben.
Oft versuchen die älteren Kinder oder Erwachsenen auch die kleinen Kinder zu überreden mir Blumen zu bringen, oder mich zu begrüßen, aber die trauen sich meistens nicht und lachen dann nur peinlich berührt ?
Die Doefer an sich waren sehr einfach, aber nicht elend. Es gibt keinen Strom undkein fliessend Wasser. Die Haeuser sind aus Lehm gebaut. Die Tiere der Familie, wie Kuehe oder Schweine, leben direkt mit ihnen zusammen. Also unter dem Vordach sozusagen. Meisstens schlafen alle Mitglieder der Familie in einem Bett oder auf jeden Fall im selben Zimmer.
Es war wesentlich sauberer als in der Stadt! Ich nehme mal an, dass erstens nicht so viele eingeschweisste produkte verwendet werden und sie auch mehr darauf achten, weil niemand kommt um es wegzuraeumen, wie in der Stadt. Aber oft sind die Ponds , die Wasserbecken ziemlich verschmutzt. Darin wird gewaschen , gebadet und daraus getrunken.
Ich wurde gefragt wieviel mein Flugticket gekostet hat und nachdem ich es umgerechnet habe, wurde mir gesagt, dass eine Familie dort mit dem gleichen Geld ein Jahr ueberlebt....
Es ist ein bisschen so, wie in eine andere Zeit versetzt zu werden...

Bei dem Pairish war auch noch ein Internat. St. Thomas School. Deswegen hatte ich eigentlich nie meine Ruhe, weil ich wenn ich außerhalb meines Zimmers war, pausenlos angestarrt wurde. Mittlerweile ist es nicht mehr so schlimm für mich, es nervt nur und es ist komisch, weil ich mich so an indische Verhältnisse gewöhnt hab, dass ich unterbewusst denke, das Land müsste sich auch an mich gewöhnt haben. Aber es sind halt immer neue Leute, die mich sehen und immer wieder fängt es von vorne an.
Ich bin dann den Mädchen aus dem Internat vorgestellt worden und sofort hat sich eine Masse an Kindern um mich versammelt, mir ein Willkommenslied gesungen, mit Blumen geschenkt und mich aufgefordert auch was zu singen! Hilfe!! Zum Glück musste ich dann letztendlich doch nicht. Glück gehabt.
Ich war insgesamt 3 Tage dort, war wirklich schön, aber es ist auch nett wieder bei den Leuten zu sein, die man schon kennt und bei denen man nicht zum hundertsten Mal die gleiche Frage beantworten muss.

In der St. Xavier School, in der die beiden anderen Deutschen, Regina und Johannes, unterrichten war in den letzten beiden Tagen ein Fair. Das ist wie so eine Art Jahrmarkt gewesen, nur ohne Fahrgeschäfte. Die Schule hat eine riesige Wiese zum Sport treiben und da waren ganz viele kleine Buden aufgebaut, an denen man Spiele, wie Dosenwerfen oder ähnliches gegen Geld spielen konnte. Es gab Essensstände und sogar eine Lotterie? Außerdem konnte man sich Lieder wünschen, und diese jemanden widmen, was bei den Schülern mit Begeisterung aufgenommen wurde ? Es gab sogar ein paar englische Lieder in der Auswahl wie Backstreet Boys, Micheal Jackson UND MODERN TALKING!!! Wurde aber nicht gespielt! Da haben wir die letzten 2 Nachmittage verbracht!
Wenn Chelsea und ich dann die ganze Zeit so rumschlendern kommen alle paar Minuten irgendwelche Kinder, die ich noch nie im Leben gesehen habe, oder auch Erwachsene und stellen sich vor, geben uns die Hand und wollen ein bisschen Small Talk halten. Die Schüler in St. Xavier sprechen alle gutes Englisch, weil auf Englisch unterrichtet wird und es ist auch eine Privatschule, die mehr Geld kostet, weswegen die Eltern auch oft einen hohen Bildungsgrad haben. Das ist so ganz anders als in Deutschland, find ich. Wer würde denn zu einem Ausländer gehen, den er irgendwo an einem öffentlichen Platz sieht nur um mal ein bisschen Englisch zu reden, aber das spiegelt einfach auch die Kultur wider. Alle sind total aufgeschlossen, freundlich und hilfsbereit.
Ich habe gestern mehrmals gesagt bekommen, dass ich, wenn ich Hilfe brauche, jederzeit kommen kann und die Menschen hab ich manchmal gestern zum ersten Mal gesehen.
Dann waren wir gestern noch im Kino: Billu the Barber! Der Film war auf Hindi, also konnten wir nicht so viel verstehen?
Der Film ging über einen Friseur, Rasierer und seine Familie, eine Schule war auch involviert und soweit war alles ganz plausibel aber plötzlich ändert sich die Szene und man sieht ein Raumschiff im Weltall, und es fangen halbnackte Inderinnen an zu tanzen und ein ganz toller indischer Mann im silbernen Space Outfit ist der Held des ganzen.
Chelsea und ich haben gedacht der Film hätte sich geändert oder so. Das hatte überhaupt nichts mehr mit dem Anfang zu tun. Die anderen Kinogäste fandens aber total toll, haben angefangen zu schreiben, jubeln, kreischen, ich kann es Garnichts beschreiben, vor allem wenn die Frauen ins Bild kamen?
Es hat sich dann rausgestellt, dass es sich mur um einen Videospot im Fernsehen gehandelt hat und alles war wieder beim alten. Aber das Gegröle und Geklatsche ging weiter. Es ist auch üblich im Kino zu telefonieren, wenn man gerade angerufen wird und keiner versucht leise zu sein. War eine interessante Erfahrung. Den Film haben wir letztendlich sogar fast verstanden, auch wenn wir zwischendrin ziemlich irritiert waren.
Grüße, ich denk an euch?