Cowboy Style

01.July 2012 - Alice Springs


Hi Ihr Lieben!
Heute berichte ich euch von meinem neuen Leben als Cowboy. Doch zuerst einmal wie es überhaupt dazu kam. Nachdem ich die ersten zwei Nächte in Alice Springs in einem wirklich angenehmen Hostel verbracht hatte, fing ich an zu überlegen, wie es weiter gehen sollte. Da ich ungern alleine weiter reisen wollte und Alice Springs nicht die blühende Welt-Metropole ist, war anzunehmen, dass es einige Zeit dauern würde, bis sich jemand neues zum Reisen fand. Um die Zwischenzeit gut und günstig zu überbrücken, machte ich mich auf Jobsuche. Mein Ziel war es, etwas anderes zu machen, als wieder einmal als Schrauber in einer Werkstatt zu enden. Da hier aber gerade Winter, und im allgemeinen nicht viel Arbeit zu finden ist, entschloss ich mich am sogenannten WWOOFING Programm teil zu nehmen. Das steht für willing workers on organic farms und bedeutet dass man ohne Bezahlung, wohl aber für Verpflegung und Unterkunft auf einem Bauernhof arbeitet. Also durchforstete ich das Telefonbuch nach nahegelegen Farmen und startete meine Anfragen. So kam es, dass ich auf einer Rinder-Farm, nur 25km von Alice Springs entfernt angenommen wurde und meine Freiwilligenarbeit hier begann. So weit so gut. Zuerst einmal müsst ihr wissen, dass eine Farm hier nicht ansatzweise mit deutschen Höfen zu vergleichen ist. Es ist, als wäre die Zeit vor einigen Jahren stehen geblieben. Hier ist wirklich noch fast alles Handarbeit und nicht maschinell und das bei bloß 4 Leuten, die das bewältigen. Eine Weide hier hat die Größe von 30x30km! und die Rinder laufen frei darauf herum und gehen ihrem Leben nach. Sie fressen und trinken wann immer sie wollen, vermehren sich, wann und wie sie wollen und gebären, nicht wann sie wollen, aber selbstständig. Ab und an ist es dann an der Zeit, die Rinder einzufangen, um sie zu verkaufen, oder die jüngeren zu Brand-marken und zu kastrieren. (Das macht angeblich das Fleisch zarter). Nun könnt ihr euch natürlich vorstellen, dass dieses Unterfangen auf einer 900 quadrat-KM Weide mit 4000 Rindern nicht ganz einfach ist. Entweder werden die Rinder zu Fuß zusammen getrieben (super ätzend!) oder aber per Motorrad oder Helikopter, oder alles zusammen. Nachdem wir das jedenfalls erfolgreich bewältigt hatten, musste erstmal aussortiert werden, welches Tier verkauft werden kann, welches wieder auf die Weide darf, oder welches vorher noch die Brandmarkierung und/oder Kastration durchlaufen muss. Einer der ausgewachsenen Bullen war dabei anscheinend nicht so richtig gut auf mich gestimmt und kam wie eine Lokomotive auf mich zu gestürmt. Ich versuchte das ca 60kg schwere Eisentor rechtzeitig zu schließen, doch bevor ich es verriegeln konnte rammte der Bulle schon mit dem Kopf dagegen und das Tor flog wieder auf, als wäre es eine Salon-Tür. Ich sag euch, das is ein komisches Gefühl, wenn etwas über eine Tonne Lebendgewicht sich entscheidet einfach nicht anzuhalten und direkt auf dich zusteuert. Nachdem ich also samt Tor zur Seite geschleudert wurde hab ich mich mit einem gekonnten Sprung über den Zaun in Sicherheit gebracht und ausser nem kleinen blauen Fleck und einem kurzen Schrecken ist nix weiter passiert. Schwitz! Die restlichen Arbeiten verliefen soweit gut, nur die Kastration bereitete mir beim zu gucken schon körperliche Schmerzen. Nachedem wir die Bullen mit einem Gerät festgeklemmt und auf die Seite geworfen hatten, war es meine Aufgabe, das linke Bein fest zu halten und nach hinten zu ziehen, um die Eier zugänglich zu machen. Ein kurzer Schnitt, reingegriffen, rausgerissen und weggeworfen! Das wars dann mit der Männlichkeit. Nun könnt ihr euch mal vorstellen, wie es dort zum Feierabend aussah, nachdem ca. 100 Bullen kastriert wurden. Blut und Hoden überall! Kein schöner Anblick, aber Arbeit die anscheinend gemacht werden muss und der wohl einzige schwarze Tag (bevor der Schlachtung) im Leben der Rinder, also aus der Perspektive zu verkraften.
Da die Arbeit unbezahlt ist, werde ich heute nach fast 10 Tagen meine Reise fortsetzen und bin aber trotzdem sehr froh, mal einen Einblick in das Leben eines australischen Farmers gewonnen zu haben.
Mein Fazit: Extremer Knochenjob, mit zu viel Blut und Eiern, ich bleib auf lange Sicht lieber bei den Autos!
Gruß Janni