Misty Wedding

20.January 2010 - Delhi


Christian und seine Familie sind schon früh los nach Agra und Tina und ich ließen den Tag relativ gemütlich angehen. Soll heißen, ausschlafen war angesagt. Leider gelang mir das nicht so gut, weil ich mir Sorgen ums Taxi machte. Ich hatte am Abend vorher versucht, uns ein Taxi zu beschaffen, das uns nach Faridabad zur Hochzeit bringt und nachts wieder abolt. Nur war das nicht möglich. Jedes Taxiunternehmen das ich anrief, sagte mir, dass sie nichts frei hätten, ich solle es doch später wieder versuchen. Das ging dann den ganzen Vormittag so weiter, sodass ich richtig panisch wurde, wie wir den hinkommen sollten. Ich hab dann Christian angerufen, der im Zug nach Agra saß. Der hat sich dann freundlicherweise als unser Retter erwiesen und uns über seine Firma einen Wagen und Fahrer besorgt. Das war sogar noch billiger als mit dem Taxi und wir brauchten uns keine Sorgen machen, wann wir bei der Hochzeit gehen wollten, weil der Fahrer ja auf uns warten würde. Derart beruhigt gingen wir den Tag dann gemächlicher an. Wir tranken Kaffee in unserem Stammcafe an der Ecke (da waren wir jeden Tag als wir in Dehli waren) und gingen in einen Beauty Parlour, um uns die Haare stylen zu lassen. Die fragten dann auch gleich noch nach Makeup und Manikuere, da haben wir nicht nein gesagt. Aber mehr als auf die Farbe des Nagellacks hatten wir kaum Einfluss. Die resolute Besitzerin fragte nur nach der Farbe unserer Sarees und legte los: schnell waren unsere Gesichter richtig bunt. Ich wurde noch nie geschminkt und das war schon mal n interessantes Erlebnis, nur hat die Dame naturgemäß wohl etwas übertrieben. Naja, wir wurden immer mehr zu Subjekten. Das hat sich spätestens bei meinen Haaren bestätigt. Mir wurde kurz in knappen Worten erklärt, was man mit meinen Haaren vorhatte, was ich nicht ganz verstanden habe aber ich hab genickt. Die wissen schon, was gut aussieht, dachte ich mir. Naja, plötzlich hatte ich einen Knoten am Hinterkopf befestigt, um den meine Haare kunstvoll drapiert wurden (ich hätte schreien können, als der Friseur anfing, meine Haarsträhnen zu toupieren!). Nicht weniger als 45 Haarnadeln befanden sich in meinem Kopf! Zu meinem Ensetzen wurde das ganze noch mit silbernen Farbtupfern, vervollstaendigt, die mir auf den Kopf gesprüht wurden, weil die doch so schön zum Saree passten. Hilfe, ich hatte eine absolute Betonfrisur, die mir nicht gefiel. Naja, damit musste ich nun klarkommen. Mit hochroten und bunten Gesichtern liefen wir zurück zu Christians Wohnung. Dort machten wir uns fertig für die Hochzeit, wickelten uns in die Sarees und wurden pünktlich abgeholt.
Auf gings nach Faridabad. Wir sollten um 8 da sein, aber der Fahrer musste so oft nach dem Weg fragen, dass wir eine halbe Stunde zu spät ankamen. Was eigentlich immer noch eine Stunde zu zeitig war. Es war kaum jemand da. Völlig ungläubig standen wir da auf dem Golfplatz und schauten auf die Hochzeitsfeier im Nebel. Es sollte alles draußen im Freien stattfinden?? Das kann doch nicht sein, wer kommt denn auf die Idee, eine Hochzeitsfeier an einem Mittwoch Abend im Nebel im tiefsten Winter im Freien abzuhalten??!! Offenbar die Inder, denn unterwegs sind wir an einigen Hochzeitsgesellschaften vorbeigefahren und auch auf diesem Golfplatz fanden insgesamt drei Feiern nebeneinander statt. Das liegt am Datum, oder beser an den Sternen. Der Brahmane bestimmt einen guten Tag für eine Hochzeit, je wie der Kalender und die Sterne stehen. Very convenient.
Praktische Überlegungen spielen dabei überhaupt keine Rolle. Das Brautpaar selbst war auch noch nicht anwesend, ebenso wie viele Gäste die noch durch Abwesenheit glänzten. Aber ein eifriger Kellner kam mit einem Tablett heißer Suppentassen vorbei, die wir dankbar annahmen. Hauptsache was warmes zwischen den Rippen. Wir hatten nur die Sarees an mit einem Wollschal darüber, dazu offene Schuhe, sonst nichts. Und es war so kalt, dass unser Atem dampfte. Wir wussten, dass die Hochzeit bis in die frühen Morgenstunden gehen würde und machten uns auf eine lange kalte Nacht gefasst.
So gegen 10 erschien der Bräutigam in einer Prozession, die eine halbe Stunde lang ging. Zuerst hatten wir schon einmal die Prozession bewundert und dem Bräutigam zugewinkt bevor wir merkten, dass es sich um den falschen handelte, von der Hochzeit nebenan. Jedenfalls kam der reich geschmückte Bräutigam auf einem Pferd geritten, umgeben von hellen (elektrischen) Laternen und einer Blaskapelle. Die Leute tanzten dazu und sprangen und schließlich gab es einige Rituale, in denen der Bräutigam von der Familie der Braut willkommen geheißen wurde und symbolische Geschenke ausgetauscht wurden.
Dann wurde gegessen und getrunken, es gab ein langes Buffet an dem man bedient wurde. Aber seltamerweise waren Tina und ich überhaupt nicht hungrig. Trotz der Kälte hab ich sogar Eiscreme gegessen, weil ich den Koch nicht beleidigen wollte, dessen indische Süßspeisen ich abgelehnt hatte (die sind nicht so mein Ding, extrem süßes Zeug aus Mehl, Butter und jeder Menge Zucker).
Interessant wurde es erst, als Aditi, die Braut, endlich eintraf. Das haben wir sogar verschwitzt, während wir beim Essen waren. Das Brautpaar saß zu zweit auf der reich geschmückten Bank auf der Bühne und begrüßte die Gäste. Man konnte nun hingehen, Fotos machen und mit ihnen sprechen, was wir natürlich auch taten. Es waren recht wenig Leute da bei der Hochzeit, vermutlich weil es so kalt und neblig war. Und die Gäste die da waren, erschienen zum großen Teil uninteressiert an der Hochzeit. Sie saßen alle nur um die Holzkohlepfannen herum um sich aufzuwärmen. Guter Gedanke, das machten wir auch zwischendurch. Dabei haben wir uns aber beide unsere Sarees an herumliegenden Kohlen verbrannt. Keine gute Idee. Aber immerhin haben wir das gleiche Schicksal erlitten. Erst Tina, dann gleich darauf ich. So ein Pech aber auch!
Abgesehen davon, dass es so kalt war, wurde es dann doch fast fröhlich als es auf die Tanzfläche ging. Vor ohrenbetäubendem (wörtlich) Lärm, eh, Musik, tanzte das Brautpaar mit den Gästen. Auch wir haben da mit gemacht, auch in der Hoffnung, warm zu werden :-) Aditi hatte es dabei am schwersten, denn ihr Brautkleid wog sicherlich an die 20 Kilo. Es war so schwer mit Perlen und Schmucksteinen besetzt, das war unbeschreiblich.
Irgendwann nach Mitternacht ging es dann für die eigentliche Hochzeitszeremonie ins Haus (eigentlich ist alles Zeremonie, die Blumenkette, die die Braut umgelegt bekommt am Anfang, das Tanzen.... alles gehört rituell dazu). Im Haus (natürlich unbeheizt) saß das Brautpaar umgeben von einigen Familienmitgliedern auf Matten unter einem Baldachin. Der Brahmane und ein Gehilfe sangen irgendwelche Sprüche vor und legten der Braut stundenlang dar, welche neuen Pflichten sie nun hat und dass sie nun nicht mehr zu ihrer Familie gehört, sondern zu ihrem Mann. Die eigentliche Hochzeit ist eine Besitzübergabe, wo sogar der Bräutigam gekauft wird. Vielleicht nicht bei dieser Hochzeit, vielleicht doch, aber in aller Regel muss die Familie der Braut eine hohe Mitgift für die Braut an die Familie des Bräutigams zahlen. Je höher desto besser für das Ansehen des Brautvaters. Nicht selten wird von der Bräutigamsfamilie ein Auto und mehr verlangt.
Naja, es ging weiter mit Ritualen. Inzwischen schliefen viele der "Zuschauer" in ihren Stühlen oder gähnten schamlos vor sich hin. Es dauerte wirklich lang. Es gibt so viele Rituale.... es werden zum Beispiel mehrfach Süßigkeiten verbrannt und gegessen und es gibt einen siebenmaligen Zug des Brautpaars um das Feuer, was die Zeremonie abschließt. Die ganze Zeit über, drei oder vier Stunden, brannte in dem Raum ein kleines Feuer in einem Metallbehälter. Der Rauch brannte uns in den Augen bis uns die Tränen kamen. Sind schon echt komisch die Inder, das Buffet und die Tische sind alle draußen im Freien, aber wenn es ums Feuer geht, wird das ganze nach innen verlegt.
Kurz vor vier haben wir uns dann verabschiedet und sind nach zurück gefahren. Rajiv, einen Freund von Aditi aus Lucknow, der uns den ganzen Abend Gesellschaft geleistet und für uns übersetzt hat, haben wir bis nach Delhi rein mitgenommen. Gegen 5 waren wir dann endlich zurück und sind hundemüde ins Bett gefallen.