Handeln wie ein Mann

09.February 2010 - Whakatane


?Und pass auf dich auf? klang mir noch in den Ohren, als ich das Ticket für Whakaari ? White Island ? kaufte. Ich musste lachen. Ob Astrid daran dachte, dass ich mich auf einen Ausflug zu Neuseelands aktivstem Vulkan machen könnte?
Am Montag haben Franziska und ich uns zurück zu unseren Anfängen begeben. Mit dem Nakedbus ging es von Gisborn nach Whakatane, einem kleinen Küstenstädtchen an der östlichen Bay of Plenty. Beim Spaziergang an der Uferpromenade jagte dann auch ein Dejavu das andere, denn da Whakatane und der benachbarte Ohope Beach nicht weit von Te Puke entfernt liegen, haben wir bereits mit unseren Travelyan's Kollegen einen herrlichen Tag (na gut, bis auch die Chilenen fertig waren, war es wohl schon eher Nachmittag) dort verbracht. So konnten wir also Willy, den sprechenden Papagei wieder sehen; Moko, den heimischen Delphin erneut verpassen; am selben Tisch Mittagspause machen; Wairaka (die Frauenstatue, aus deren Legende der Name des Ortes entstand) auf ihrem Felsen besuchen; über Steine kletternd Blicke auf Whale (benannt nach der markanten Form der Insel, die einem auftauchenden Wal ähnelt) und White Island erhaschen und zahlreiche Muscheln sammeln (fragt sich nur noch, wie ich die illegal durch den Zoll schmuggel ^^).
Nun ist Whakatane aber nicht nur Heimat einiger sehr idyllischer Strände, sondern zufällig (in machen Kreisen auch als 'umsichtige Planung' bekannt) ebenfalls Ausgangspunkt für Erkundungstrips nach White Island, welche 50km vor der Küste liegt. So eine Gelegenheit lassen Franziska und ich uns natürlich nicht entgehen und konnten uns deshalb den nächsten Tag auf einer klassischen Buttertour (wortwörtlich, denn in regelmäßigen Abständen gab es Tee, Kekse, etc.) zur dauerhaft in Dampf gehüllten Vulkaninsel wieder finden. Nach gut zwei Stunden gemeinschaftlichem Schaukeln auf dem Boot konnten wir dann auch endlich, samt Helm und Gasmaske, Fuß auf die Insel setzen. Und alleine diese Tatsache ist bei genauerer Betrachtung schon sehr faszinierend. Whakaari ist nämlich nur 15 000 bis 20 000 Jahre und das Bewusstsein, dass einen dort lediglich 1,5km Erdkruste von der darunter liegenden flüssigen Magma trennen, verdeutlicht doch die heiße Angelegenheit. Nicht, dass man an die Aktivität des Vulkans erinnert werden müsste. Bei der Wanderung auf dem Krater ging es mit zwischenzeitlich tiefen Atemzügen durch die Gasmaske vorbei an gelben Phosphor-Kratern, die mir dampfend und zischend Appetit auf Ei bereiteten, blubbernden Schlammlöchern; frei liegenden,regenbogenartig gefärbten Gesteinschichten, den Überbleibseln einer erfolglosen Fabrik zur Phosphorförderung (das Glück war dem Unternehmen aber auch nicht hold. Mehrere Versuche endeten in der Regel damit, dass sämtliche Angestellte auf unterschiedlichste Weise umkamen. Sei es durch Ausbrüche, Erdrutsche oder angebliche Selbstmorde, bei denen Kollegen nur noch die Schuhe des Verunglückten fanden) zum Nebel verhangenen Kratersee. Während Kraftlose mit weiteren Bonbons der Angestellten angefüttert wurden, hat uns unser guide mit allerhand interessanten Hintergrundinformationen über die Insel versorgt. Zunächst einmal kann Astrid wieder ausatmen, denn auch, wenn es der aktivste Vulkan Neuseelands ist, wird er lediglich als Klasse 1 eingestauft (die Leiste geht von 0=schlummernd bis 5=praktisch am explodieren), was einer konstanten Hintergrundaktivität entspricht. Also nicht übermäßig gefährlich, zumal Forschungsteams Druck, Temperatur, Bewegung, Dampfzusammensetzung u.ä. überwachen und erforschen. Nichtsdestotrotz hat der Whakaari erst in den 70/80ern ein wenig Schlacke gespuckt und besonders beeindruckend stell ich mir ein ehemaliges Ereignis vor, bei dem der Innendruck des Vulkans so rapide angestiegen ist , dass Anwohner der Küstengebiete schon annahmen der Vulkan sei ausgebrochen, da durch die enorme Temperatur sämtliches Gestein der Insel leuchtend rot glühte.
Der Dampf der dieser Tage neben uns aufstieg war derweil nur bis zu 800°C heiß, sodass wir uns nach gut zwei Stunden Führung wohl behalten zum Mittag auf's Boot zurück kehren konnten. Nach einer letzten Umrundung der Insel mit dem Boot mussten wir auch schon wieder den Rückweg anhalten. Doch ein besseres Sahnehäubchen hätte die Crew uns nicht servieren können:
Delphine
Ganze Gruppen von Hector-Delphinen, die auf ihrer Jagd nach Thunfisch jeweils für einige Zeit unser Boot begleitet haben, im Wettrennen mit dem Schiff am Bug Stellung bezogen haben, uns umkreist haben und dabei immer wieder Sprünge vollführt haben. Die Faszination von Delphinen scheint nie ab zu nehmen und bei jeder neuen Sichtung war ich sprachlos vor Entzückung und wie gebannt von ihren kraftvollen und dabei scheinbar mühelosen Bewegungen. Den Großteil der Rückfahrt hab ich somit auf der Reling am Bug sitzend verbracht mit baumelnden Beinen über dem azurblauen Wasser und Ausschau haltend nach weiteren Delphinen, die sich regelmäßig blicken ließen. Ich hätte sie stundenlang beobachten können, wie sie neben dem Bug daher rasen (selbst das kleine Kalb konnte die teilweise enorme Geschwindigkeit mithalten, obwohl es noch wirklich winzig war!) und so war es fast eine Enttäuschung, als wir langsam auf den ruhigen Hafen Whakatanes zusteuerten.
Wenn das eine typische Oma-Butterkuchen-Ausfahrten war, dann werde ich ab heute öfters solche Touren buchen!
?Handeln wie ein Mann? bezieht sich übrigens nicht auf unsere vermeintlich leichtsinnige Entscheidung auf einem aktiven Vulkan spazieren zu gehen, sondern auf den Ursprung des Stadtnamens und der oben erwähnten Statue. Der Name 'Whakatane' entstand vor rund 800 Jahren, als der Maori Krieger Toroa samt Familie mit seinem Kanu in der Gegend ankam. Während die Männer loszogen um die dort ansässigen Würdenträger zu begrüßen, ließen sie ihre Frauen in dem Kanu zurück. Diese fanden sich bald darauf jedoch in einem Dilemma wieder, denn als die Ebbe kam wurde ihr Kanu zurück aufs Meer getrieben. Unglücklicherweise verbietet eine Tradition der Maori es Frauen jedoch das Kanu selbst zu steuern. Schließlich ergriff Toroas Tochter Wairaka die Iniative. ?E! Kia whakatane au i ? Lasst mich wie ein Mann handeln?, schrie sie und brachte das Kanu sicher zurück an's Ufer. Bis heute erinnert die Statue auf dem Felsen an Wairaka, die wie ein Mann handelte ? Whakatane.