Asien

02.April 2012 - Singapur


So verlasse ich dann das Flugzeug, noch im Halbschlaf, der Kaffee hat noch nicht richtig angefangen zu wirken und die Nacht fordert ihren Tribut. Der Flughafen in Singapur sieht erstaunlich gewöhnlich aus, er ist sehr schön, große Hallen, teils mit gemütlichen Teppichen ausgekleidet, doch bisher ist nichts davon zu spüren, dass man in Asien ist (bis auf die hohe Anzahl der Asiaten natürlich?). So geht das auch weiter, nach dem Zoll (der Bart scheint mich verdächtig zu machen, ich wurde kontrolliert?) befand ich mich alsbald im Bahnhof der MRT, der UBahn Singapurs. Auch hier, nichts auffälliges, es ist sauber, fast zu sauber (wie man daheim sagen würde, es sie aus, wie ?geleckt?), doch weiterhin bis auf die Menschen könnte das grob auch so in vielen Metropolen im Westen vorzufinden sein. Bis zum Verlassen des Zuges nichts Außergewöhnliches oder überhaupt Asiatisches (Zugeständnis: Das Wetter. Es ist so unglaublich schwül warm wie auf den Cook Islands, ich bereue jetzt sofort meine lange Hose und Pulli. Der Schweiß fließt in Strömen?). Soll es wirklich wahr sein, das Singapur gar nicht wirklich zu Asien zählt, sondern von den ansiedelnden Firmen komplett verwestlicht wurde. Das kann doch nicht sein?

Doch halt, es gibt erste Anzeichen. Ich weiß nicht, wie ich da hin geraten bin, ich bin nur den Ausgangsschildern meines Zielbahnhofes gefolgt, doch plötzlich befinde ich mich umgeben von einem Labyrinth aus Essensständen, ein Irrgarten der Gerüche. Ganz viele asiatische Restaurants (ich weiß leider nicht, was jetzt genau der Inder, der Thailänder, der Vietnamese oder der Chinese ist, ich bin schon froh, wenn es kleine Unterschriften in englischer Sprache unter den Essensbildern gibt?) zu meiner Linken und Rechten, unterbrochen von seltsamen, ich würde fast japanisch wegen den ganzen knallbunten Farben behaupten, Süßwarenständen. Ich weiß nicht, wo ich bin, doch es gefällt mir ganz gut. Die Gerüche sind ziemlich vielversprechend. Wie ich mir so meinen Weg durch das Labyrinth der Lebensmittel kämpfe, lokalisiere ich zu meinem Verdruss einen McDonalds und ein Starbucks. Die gibt es hier also leider auch. Doch bei Weitem nur in der Unterzahl.
Mein Rucksack wird allmählich schwer, deshalb höre ich auf, mich in dieser Etage des Essens umzuschauen und verlasse das Einkaufszentrum, mein Hostel liegt zum Glück quasi auf der anderen Straßenseite. Ich wusste beim Eintreten nicht, was ich von dem Hostel halten soll, doch inzwischen bin ich mit der immensen Liste an Vorzügen vertraut und ich muss sagen, danke Anne für den Tipp, das Tree in Lodge ist ein spitzenklasse (Stadt)Hostel, gemütliche Betten, kostenloses Internet und sogar Cookies gibt es hier. Das Beste jedoch ist wohl der freundliche Rezeptionist. Da ich erst in vier Stunden einchecken kann, erklärte er mir überaus ausführlich, wie ich meine nächsten dreieinhalb Tage füllen konnte. Am besten einfach mit spazieren, die Viertel der Stadt zu Fuß erkunden und mich einfach nur mit dieser Multikulti-Metropole vertraut mache. Und ganz viel esse. Ich weiß gar nicht, wie viele Tipps er mir für gute Restaurants gegeben hat. Doch die würden sich noch als sehr nützlich erweisen.

Kaum habe ich mein Gepäck abgeladen, starte ich meine Reise. Meine Reise quer durch Asien. Dachte ich bisher noch, Singapur wäre einfach nur eine weitere Allerwelts- bzw Allerwestsmetropole, so verflog diese Illusion auf einem fliegenden Teppich, als ich nur 500 Meter die Straßen runterging. Ich befand mich mitten in Persien. Dieser Bezirk ist ?Little Persia?, der arabisch-muslimische Bezirk Singapurs. Ich bin baff. Ich habe noch nie so viele Teppich-und Tuchhändler in einer Straße gesehen. Es gibt hier nichts anderes. Wären da nicht ab und zu ein paar Autos über die Einbahnstraße gebraust, ich hätte ebenso gut in Ankara oder Baghdad sein können. Und dann war die Straße (passenderweise ?Arab Street?) zu Ende. Und mit ihr Little Persia. Ich war einmal quer durch Arabien gereist in nur 10 Minuten. Doch ich war noch nicht damit fertig, ich folgte der ?Jalan Sultan Avenue? (ich würde noch merken, man kann an den Straßennamen sehr gut identifizieren, in welchem ?Land man sich gerade befindet) rund um Little Persia, das insgesamt nicht mehr als ein paar Straßenzüge umfasst. Doch der Unterschied zur Umgebung könnte nicht größer sein, das gesamte Gebiet besteht aus (nur) zweistöckigen Häusern in einem arabischen Baustil (ich kann leider die Elemente nicht spezifizieren, es sieht halt arabisch aus?), einzig überragt vom Minarett der Moschee. All das wirkt vollkommen fehl am Platze, eingeschlossen von den Hunderte Meter in die Höhe ragenden Wolkenkratzern der großen Banken, deren Platz an der Wall Street definitiv berechtigt ist. Doch genug davon, meine Reise geht weiter...
Das nächste Ziel ist Indien, nicht grade gleich um die Ecke und eigentlich doch. Jedenfalls in Singapur. War ich bis dato noch nicht von der Multinationalität Singapurs überzeugt, so wurde ich es jetzt. Ich ging keinen Kilometer und befand mich nicht mehr auf einem Basar sondern mitten In Delhi. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Man bedenke immer noch, ich bin eigentlich in Malaysia. Und dann auch wieder nicht. Überall sehe ich nur Frauen mit rotem Punkt auf der Stirn, kleine Rikschas bevölkern die Straßen und es duftet nach Essen (diesmal bin ich mir sicher: indischem Essen). Die Straßen wurden nun gesäumt von Restaurants, links und rechts, nicht durchbricht die Kette an Köstlichkeiten. Ok, doch, ab und zu befinde ich mich plötzlich in den wohl klischeehaftesten indischen Läden, genau diese Art an Nippesläden, wie man sie abolut nicht braucht. Ich weiß aber nie, wie ich darein komme, doch die Übergänge zwischen Straße, Bürgersteig und dem Inneren der Restaurants oder Geschäfte ist so fließend, manchmal hat man um nicht von einem der vorbeirasenden Autos erwischt zu werden, keine andere Wahl, als sich in diese seltsamen Läden zu flüchten. Das gesamte Treiben dort kann man einfach nicht beschreiben. Selbst Fotos bringen nichts, das ist ungefähr so, als wolle man die Bilderserie eines Fußballspiels machen. Um die Atmosphäre wenigstens ein kleines bisschen einzufangen, muss man Videos machen. Und selbst dort sind die leckeren Gerüche nicht drauf?
Aus Angst vor dem Kulturschock-Kollaps flüchte ich mich in ein Hochhaus, das von Außen ein westliches Einkaufszentrum widerspiegeln könnte. Ich hätte da nicht falscher liegen können. Kaufen konnte man einiges, doch wo ich einzelne, strikt getrennte Läden gewöhnt bin und jederzeit weiß, wo ich bin, war ich hier sofort verloren. Es war eigntlich nur ein großer Markt in einem Haus. Nur ohne Stände, hier teilten sich Uhren und Elektrogeräte, Schuhe und Seifen die Regale und Schaufenster. Ging man einen Meter weiter, stand man nicht mehr umgeben von Medikamenten und Seifen sondern sah und roch nichts als Schuhe aller Marken. Hier gab es nichts, was es nicht gibt. Ich bin überzeugt, hier kann man sehr gut mit den Verkäufern über die Preise verhandeln. Und das alles erstreckt sich über fünf Etagen. Passenderweise betitelt als ?Mustafas? Einkaufszentrum.
Soweit hatte Jow von der Rezeption Recht, es reicht hier wirklich voll und ganz, wenn man nichts macht, als nur spazieren zu gehen, da sieht und hört man schon genug. Doch jetzt wollte mein Geschmacks-und Geruchssinn getestet werden, ich bekam Hunger. Doch wir sind ja in Indien, da lässt Essen nicht lange auf sich warten. Da es um die Mittagszeit war, zog es mich zu der großen Menschenmenge hin. Und ich fand mich genau dort wieder, wo ich eigentlich in Singapur hinwollte. Auf einem riesigen Markt mit winzigen Essensbuden. Ich konnte mich gar nicht entscheiden, die meisten Speisen (bis auf den Reis) hatte ich noch nie gesehen und doch roch alles super lecker. Ich war verloren, die Qual der Wahl lässt grüßen. Wie gesagt, die Restaurantempfehlungen waren Gold wert, wie ich mich so hilflos im Kreis drehte , sprang mir ?Zam Zam? entgegen. Also so hieß der Laden zwei Meter von mir entfernt. Da klingelte etwas in meinem verstaubten Oberstübchen, das war der muslimische Laden, wo ich unbedingt das Lamm probieren sollte. Der Mann hinter der Theke hatte mich schon im Auge und winkte mich zu sich rüber. Bei der gigantischen Auswahl trotz des kleinen Ladens konnte ich nur stammeln: ?Irgendwas mit Lamm?. Doch er verstand schon und so wurde mir ein Teller mit Reis und einer mit einem Lammkotlett in Sauce serviert. Mmh, wo ist das Messer. Ich wollte schon nachfragen, doch dann sah ich die verschmutzten Finger meines Nachbarn und verstand, hier wurde mit den Fingern gegessen. Andere Länder andere Sitten, endlich darf man mal das machen, was als Kind verpönt ist. Wie ich so in aller Ruhe mein Lammcurry genieße, setzen sich zwei Asiaten neben mich und wir beginnen ein Gespräch, wie die beiden so leben, wo ich herkomme etc. Ohne Widerworte zuzulassen, bestellte mir einer der beiden einen Ginger(Ingwer)tee mit Milch, den müsste ich unbedingt probieren. Er hatte Recht, das war wunderbar. Mein erstes Menu in Singapur, ein voller, alles andere als westlicher Erfolg. Und alles für 4 Dollar. Wer hier zu McDonalds geht, ist selber Schuld.

Doch der Wein während des Fluges, die unruhigen Schlafstunden und das Essen zollten ihren Tribut, es wurde Zeit für ein Mittagsschläfchen. Also raus aus Indien, zurück in mein Hostel, fix eingecheckt und Gute Nacht?