Ein sehr langer Tag

16.February 2012 - Dunedin


Der Schlüssel zu erfolgreichem Trampen für weite Strecken ist das frühe Aufstehen und Loskommen. In der Theorie vollkommen klar, in der Praxis schaffe ich das fast nie und mein Cousin ist auch keine so große Hilfe. Wir hatten morgens einfach noch zu viel zu erledigen, wie zur Post zu gehen, dass wir erst um 11.00 uns abreisefertig an die Straße stellen konnten. Normalerweise sollte man sich ja außerhalb des Ortes stellen, doch in Queenstown ist das nur schwer möglich, da die Stadt nur sehr schmal aber sehr langgezogen ist, das heißt, wir hätten mehrere Kilometer laufen müssen, um raus zu kommen. Also stellten wir uns auf einen Hügel und versuchten gegen besseres Wissen unser Glück. Und waren nach etwas längerer Zeit als üblich erfolgreich, ganz untypisch wurden wir von einem Pärchen mitgenommen, dass nur zum Einkaufen fuhr. Doch glücklicherweise lag der Supermarkt am Ende der Stadt an der Kreuzung, an die wir wollten. Neue Position, neues Glück. Oder es bleibt aus, denn wir standen dort fast eine ganze Stunde, bis wieder jemand anhielt. Es würde ein langer Tag werden, dass wussten wir schon, als wir nur die vielen Abzweigungen sahen. Doch nicht so lange. Besonders, als wir sahen, wer uns mitnahm. Das Auto kam uns bekannt vor und das Pärchen auch. Die beiden waren fertig mit ihrem Einkauf und fuhren in den Nachbarort. Besser als nichts... An der nächsten Abzweigung ließen sie uns raus und wir hatten jetzt schon keine Lust mehr. Wieso dauerte das denn solange. Der Verkehr hatte inzwischen so abgeflaut, dass man die Autos schon immer von Weitem sehen konnte und so die minutenlangen Pausen dazwischen mit ein paar Zeilen aus unseren Büchern füllen konnte. Nach weiteren 45 Minuten hielt endlich das nächste Auto an. Und dann traf uns fast der Schlag, das konnte jetzt wirklich kein Zufall mehr sein. Nach zwei Tagen Pause standen uns schon wieder die beiden Schweizer Damen gegenüber.
Jetzt ist es eindeutig, wie sehr sie uns oder jedenfalls einen von uns beiden verfolgen. In diesem Fall hätte es sogar einen großen Vorteil gehabt, einen Stalker zu haben. Doch leider leider fuhren sie nicht in die richtige Richtung...

Wir würden hier noch versauern, dessen waren wir uns jetzt endgültig sicher. Aber halt nein, was war denn das, mitten in unserer tiefsten Verzweiflung hielt ein Auto, ein großer Backpackervan an. In Sekundenschnelle standen wir am Beifahrerfenster und hörten die Nachricht, die uns von unserer einsamen Stelle an der verlassenen Straße retten würde: ?Ja, wir können euch mitnehmen, sogar bis nach Dunedin?. Solch ein Glück nach einem so langen Tag. Man darf die Hoffnung einfach nie aufgeben.

Die beiden älteren Herren, die uns mitnahmen, waren sich auch unbekannt, wie sich herausstellte, eigentlich war der Fahrer allein unterwegs und nahm seinen Beifahrer auch nur mit. Dieser Tramper entband uns komplett von unserer ?Pflicht?, ein Gespräch mit ihm zu führen, was sich auch schwerer dargestellt hätte, da wir in Ermangelung weiterer Sitzplätze ganz hinten auf seiner ?Bettcouch? Platz genommen hatten. Während sich die beiden vorne unterhielten, bzw. Tramper Nr. 1 permanent (im wahrsten Sinne des Wortes) über Gott und die Welt philosophierte, machten wir es uns hinten gemütlich. Besser hätten wir es nicht treffen können, wir mussten nicht noch einmal trampen, wurden direkt vor die Tür kutschiert und hatten den besten Platz im Auto. Es war super, einfach nur die vorbeiziehende Landschaft zu genießen, das Buch fertig zu lesen oder dem abgefahrenen Gespräch zu lauschen. Zwischendurch einmal kurz eingedöst, waren wir beide ein wenig verwirrt, als wir plötzlich an einem Orchyard (mir fehlt gerade das deutsche Wort, das kommt häufiger vor), wo man sich für zwei Dollar das Kilo die Säcke voll mit Aprikosen machen konnte, frisch selbst vom Baum geplückt. Der Tramper hatte gutes Auge bewiesen, diesen versteckten Platz hätte ich nicht entdeckt.

So waren wir auch noch eingedeckt mit einer Menge Proviant, die Fahrt konnte weitergehen. Der Tramper (ich habe leider beide Namen vergessen, deshalb beschreibe ich sie mit ihrer ?Funktion?) war, wie sich herausstellte, ziemlicher Obstfanatiker, das Wort beschreibt es wohl am besten. Denn unsere Reise nach Dunedin wurde noch mehrmals unterbrochen von irgendwelchen Apfelbäumen an der Straße, für die wir mehrmals wenden mussten und deren Früchte doch noch nicht reif waren. Egal, wir würden heute noch in Dunedin ankommen, nur darauf kam es an. Da war es sogar vollkommen egal, dass wir noch bei einem Freund vom Tramper anhielten, der irgendwo im Umkreis von Dunedin wohnte.

Trotz der zahlreichen Unterbrechungen endete unsrer Reise irgendwann am Abend, wir hatten es geschafft, wir waren in unserem Hostel in Dunedin. Unsere Herberge für die Nacht war ein altes Hotel mit hohen Decken und breiten Fluren, das Vier-Bett-Zimmer, das wir bewohnten, war genau richtig für eine Nacht. Um uns mit Abendessen und Proviant für die nächsten Tage zu versorgen, machten wir uns auf den Weg zum Supermarkt. Dieser lag auf der anderen Seite der Stadt, weshalb wir gleichzeitig noch den Stadtrundgang absolvierten. Dunedin ist als Stadt irgendwo im Mittelfeld, es ist eine Studentenstadt und das merkt man an jeder Ecke. Doch der Strand ist unweit vom Stadtzentrum, Pluspunkt (leider nicht in Reichweite, um ihn zu Fuß zu erreichen).


Dieses Hostel in Dunedin zeigte wieder die Richtigkeit zweier meiner Theorien.

Erstens: Man sieht jeden mindestens zweimal.
Der Mensch, der uns unsere Zimmer zeigte, kam mir sehr bekannt vor. Ich hatte ihn vor einer schieren Ewigkeit in Tauranga in meinem Hostel getroffen. Ich hätte damit nicht gerechnet, dass ich ihn nochmal wieder sehen würde, aber Neuseeland bewies mir mal wieder das Gegenteil.

Zweitens: Es gibt Backpacker-Karma. Tue Gutes und du erfährst Gutes.
Wir hatten die letzten Tage immer andere mit versorgt beim Abendessen. Heute waren wir an der Reihe. Wir teilten uns den Tisch mit vier Damen älteren Damen, die zu viel für sich gekocht hatten und uns noch einiges von ihrem Salat und ihrem Gemüse überließen. Perfekt, denn an diesem Abend sollte es nur Nudeln mit Fertigsauce für uns geben.?