Road Trip

17.February 2012 - Catlins


Am nächsten Morgen war ich nur ein klein wenig im Stress, nicht so, als müsste ich durch die Stadt laufen, aber doch eigentlich schon. Duschen, meine Sachen packen, in die Stadt laufen, meine Mitfahrgelegenheit zum Flughafen buchen und noch rechtzeitig zum Hostel zurückkommen, um auch von ihr mitgenommen zu werden, stellte sich als zeitaufwendiger heraus als geplant. Doch dank verheilter Füße schaffte ich das gerade so rechtzeitig. Ich wollte ja keine Sekunde in dem Auto verschwenden.

Und das zu Recht. Nach kurzem Ärger über die Vermietung, die wollten das Auto für ziemlich genau 48 Stunden die Prämie für drei Tage Versicherung. Doch ich würde nicht losfahren ohne gute Versicherung, hatte ja schon Erfahrungen damit. Doch dann konnte ich es zum ersten Mal erblicken, dass Gefährt, dass uns durch die nächsten Tage kutschieren würde. Doch eine Kutsche war es in keinem Fall, eher eine Limousine. Blitzblank poliert stand er da, er blinkte mir schon entgegen, sodass ich ihn schon weitem sehen konnte, zweistöckig aufgebaut und in den üblichen Farben neongrün und violett lackiert. Auf den ersten Blick hatte ich mich schon lange gefreut, ich wollte schon immer wissen, wie diese Fahrzeuge aufgebaut sind und wie es ist, darin zu reisen. Kurz gesagt, ich war hellauf begeistert, der Van ist der Hammer. Im Innenraum hatte man so viel Platz, dass sogar wir beiden großen Jungs locker drin stehen konnten. Er war ausgerüstet zwei gegenüberliegenden Sitzbänke und einem Tisch im vorderen Teil und einer Küche im hinteren Teil. Ja wirklich, einer Küche. Wir hatten zwei Gas-Kochstellen, Geschirr in vierfacher Ausführung, einen echten Kühlschrank und sogar einen Toaster. Und das beste an der Küche, wir hatten fließendes Wasser im Spülbecken. Ich konnte es kaum fassen. Genau so wenig konnte ich die das Gerät glauben, dass an der Decke hing. Falls uns langweilig werden würde, konnten wir fernsehen. Wir hatten einen großen Flachbildschirm mit DVD-Player im Auto. Ich hielt nichts mehr aus. Doch die größte Überraschung für mich lag auf dem Sitz. Wir wurden tatsächlich mit frischem Bettzeug und Handtüchern ausgestattet. Jeder bekam zwei, das Auto war ja für vier Personen ausgelegt. Das würde ein solcher Spaß werden, darin zu reisen.

Sobald ich wieder am Hostel war (Man, tat das gut, endlich wieder Auto zu fahren) und wir all unser Zeug reinwarfen, sahen wir das einzige Problem an dem Van. Man hatte sehr, sehr viel Platz, an alles hatte man gedacht, außer an das Gepäck. Am Strand (schließlich wollten wir das Auto nicht an der Straße packen, wo es doch so viel bessere Plätze gibt) räumten wir dann soweit alles, was wir in den nächsten Tagen brauchen würden, in die zahlreichen Staufächer ein, die Rucksäcke lagen wir dann einfach hinten ins Auto.

Unsere erste Fahrt im Auto konnte nach der Brotzeit beginnen. Und sie führte uns... zur Post. Denn Raphael musste heute noch wichtige Dokumente wegen der Uni nach Deutschland senden. Das hat natürlich Vorrang. Also fuhr ich in hin und wartete. Und wartete und wartete... Irgendwann war ich vor laute Warten eingeschlafen, er brauchte wirklich ziemlich lange. Ich hätte mir fast Sorgen gemacht, doch dann kam er auch schon. Es hatte einige Probleme gegeben auf der Post, doch er hatte sie gelöst, in dem er einfach den unverschämt hohen Preis von 50 Dollar für einen Expressversand bezahlte. Diese Einschreibungsfristen...

Doch jetzt konnte es endlich losgehen. Und die zweite Fahrt führte uns endlich an einen Platz, an den ich unbedingt hinwollte, seit ich das Auto hatte, zur offiziell steilsten Straße der Welt. Diese befand sich hier in Dunedin. Und sie verdient diesen Titel auf jeden Fall. 77 Steigung, im 35° Winkel geht es dort den Berg hinauf. Von unten wirkt es sehr einschüchternd. Doch was sollte schon passieren. Auf geht?s!

Ich nahm Anlauf und den Berg in Angriff. Er fuhr, er fuhr, er fuhr und wurde immer langsamer. Je steiler es wurde, desto mehr fuhr mir der Schweiß in die Stirn. Mein Fuß trat das Gaspedal voll durch, doch wir wurden schleichend langsamer, deutlich langsamer als Schrittgeschwindigkeit. Mir schwirrten Gedanken durch den Kopf, was mache ich, wenn das Auto es nicht schafft, wenn das Getriebe flöten geht oder, die irrationalste Angst, wenn das Auto wegen dem höheren Schwerpunkt nach hinten kippt. Sehr unwahrscheinlich, doch inzwischen war die Straße so steil geworden, dass ich mich nicht mehr traute, mich im Sitz nach hinten zu lehnen. Er fuhr und fuhr und fuhr und ...

Hatte es geschafft. In den letzten Zügen überwand Freddy, wie wir ihn getauft hatten, die letzten und steilsten Meter hinauf auf in den (senkrechten, zum Glück) Wendehammer. Wow, mir stand der Schweiß ganz schön in der Stirn, doch wir hatten es geschafft. Die Straße ist ein echter Publikumsmagnet, überall stehen Leute und fotografieren die Straße und die Leute, die sie befahren, wie uns. Ich kann die Leute absolut nicht verstehen, die an dieser Straße wohnen. Denn bis ganz oben hin ist die Straße mit Häusern und Einfahrten gesäumt. Diese verrückten Kiwis.

Runter war natürlich deutlich einfacher, runter kommt man immer, das ?Wie? macht den Unterschied. Jetzt musste ich nämlich das andere Pedal, also die Bremse durchtreten, denn sonst hätte ich auf den 500 Metern, die die Straße nur zählt, locker 150 km/h geschafft. Ich war wirklich erleichtert, als ich unten war und stand. Und sehr amüsiert über das Video, das Raphael die ganze Zeit gemacht hatte. Die Straße ist einen Besuch wert!

Solangsam wurde es zeitlich eng, wenn wir heute noch die Otago Peninsula besichtigen wollten. Denn effektiv hatten wir ja nur den Freitag und Samstag für das Sightseeing und der Freitag war schon fast dunkel. Also raus aus der Stadt, die Pinguine warten. Und noch etwas anderes sollte da draußen noch auf uns warten, etwas ganz anderes...

Ich habe ja schon mal Backpackerkarma erwähnt. Ich denke, so etwas gibt es auch fürs Trampen. Und weil ich schon so weit getrampt bin und selbst Raphael schon einige Kilometer hinter sich hat, sagten wir uns am Anfang des Roadtrips, dass wir jeden Tramper, der eine Mitfahrgelegenheit braucht, mitnehmen, egal wie eng oder umständlich es wird (relativ unwahrscheinlich bei dem riesigen Auto). Wir freuten uns schon richtig, etwas zurückzugeben.
Wie wir also so schön Richtung der Otago Peninsula (=Halbinsel) tuckerten, warteten auf einmal mehrere Gestalten am Straßenrand. Beim Näherkommen wandelten sich die Gestalten in zwei Pärchen, die offensichtlich auch auf die Halbinsel trampten. Unsere anfängliche Unsicherheit, bei wem wir halten sollten, lösten wir einfach, indem wir in der Mitte hielten. Sofort kamen die vier Personen angerannt und stellten sich als vier ziemlich hübsche junge Frauen heraus. Egal wie, wir wollten alle auf einmal mitholen. Mehr Glück kann man ja mit Trampern nicht haben, als vier bildhübsche junge Frauen auf einmal (!).
Es stellte sich heraus, die Vier waren Studentinnen, alle ursprünglich aus der Tschechischen Republik bzw. der Slovakei und auf einem Auslandssemester in Dunedin. Internationales BWL hat bringt einen scheinbar ganz schön rum. Bei solchen Komillitonen könnte man sich mal überlegen, etwas ähnliches zu studieren...
Da sie erst vor zwei Wochen in Neuseeland angekommen sind, haben sie noch nicht viel gesehen und wollten erstmal die nähere Umgebung erkunden. Heute stand die Otago Peninsula auf dem Programm, doch leider sind sie ohne Auto nicht mobil. Welch ein Zufall, bei uns auch (selbst wenn nicht wäre eine spontane Planänderung erfolgt) und wir besitzen heute ja ein Auto. So schlossen wir eine Reisegemeinschaft für den Rest des Abends.

Gemeinsam erkundeten wir die Insel, ganz besonders hatten wir es auf einen Strand abgesehen, an dem man Robben und kurz vor Sonnenuntergang Pinguine beobachten können soll. So machten wir uns auf und wanderten diesen Strand entlang. Vielleicht zeigten sie sich ja auch jetzt schon. Eigentlich wollten wir nur einen Pinguin und ein Walross sehen, dass hätte uns schon genügt. Der Strand an sich war sehr schön, die Mädels waren hellauf begeistert von ihm und machten tausende Fotos. Bei mir setzte allmählich die Attitüde ein, das habe ich doch schon mal gesehen. Den Blick für die Schönheit der Natur verliert man nicht, man gewöhnt sich nur sehr stark daran. So konnten es die Mädels kaum fassen, dass ich nicht wie sie tausende Bilder machte, sondern mir ein, zwei obligatorische Strandaufnahmen (nur fürs Protokoll) reichten.

So schlenderten wir sechs gemeinsam über den Sand und steuerten auf zwei Felsen zu, die so einsam am Strand lagen. Moment, das sind gar keine Felsen, das sind Walrösser. Beim Näherkommen erkannte man die beiden Tiere besser. Riesige, massige Körper, die einfach nur reglos am Strand lagen. Denen kommt man am besten nicht zu nahe, allein schon, um die Tiere nicht zu stören. Hört man jedenfalls hier überall. Doch diesen Tieren schien alles egal, ich war mir die ersten 10 Minuten nicht einmal sicher, ob sie tatsächlich lebten, sie bewegten sich keinen Zentimeter. Ich habe noch nie so faule Tiere gesehen, wir saßen eine ganze Weile neben ihnen und unterhielten uns, wir waren ja zum Tiere ?beobachten? gekommen, doch da hätten wir auch ein Foto anstarren können, der Effekt war der gleiche.