no spang...

04.May 2011 - Brownsweg


Hallo liebe Leute
Die vierte Woche in Suriname. Ich habe mich mittlerweile ganz gut eingelebt. In Paramaribo habe ich einige Leute kennengelernt und die Stadt wird mir immer vertrauter. Sprachlich geht es immer besser und ich werde oft gefragt ob ich denn Niederländerin oder Belgierin bin? allerdings merke ich schon jetzt, wie mein deutsch darunter leidet. Also verzeiht mir in meinen zukünftigen Blogeinträgen ?eingedeutschte? niederländische Ausdrücke und Satzstellungen?.

In Brownsweg war ich, außer von meinem Häuschen zum Büro oder zum Gemeinschaftszentrum, bisher nicht wirklich viel unterwegs. Bevor man ein Marrondorf hier betritt sollte man sich eigentlich dem Kapitän des Dorfes vorstellen. Brownsweg besteht aus mehreren Dörfern und jedes davon hat einen Kapitän, einer Art Bürgermeister und seine Helfer die ?basja´s?. Dennis hatte schon längst vorgehabt mich dreien davon vorzustellen, da es unteranderem meiner Sicherheit hier zu Gute kommen würde und ich mich freier bewegen könnte. Auf Grund eines großen Trauerfests mussten wir das jedoch nochmal verschieben. Meine Tage in Brownsweg begonnen bisher meist morgens um sechs Uhr mit einer Runde joggen, wobei ich in ziemlich viele verwunderte Gesichter blickte?Joggen ist hier nicht üblich und Frauen trifft man höchstens beim Schlagballspiel am Wochenende an. Einige Herrschaften kündigten daraufhin ebenfalls ihr Interesse ihre Kondition zu verbessern an. Morgens verpennt während dem Joggen Smalltalk führen zu müssen würd ich gern vermeiden, was mir bisher mit einem schnellen Themawechsel gelungen ist. ?
Tagsüber hab ich mich entweder in meiner kleinen schön kühlen Hütte aufgehalten, auf meiner Terrasse oder im Büro der Stiftung. Abends sitze ich manchmal noch mit den Arbeitern von Iamgold zusammen oder hab mich schon früh in mein kleines Reich zurückgezogen. Da ich mich mit den beiden Kochs von Iamgold anfreunden konnte, genieße ich täglich die feine, vielfältige surinamische Küche. So viel Fleisch hab ich in meinem Leben noch nicht gegessen. Ich dachte immer mein Bruder sei ein richtiger Fleischfresser. Im Gegensatz zu den Fleischfressern wirkt er aber schon fast wie ein Vegetarier. In einem Gericht, finden sich teilweise drei bis vier verschiedene Fleischsorten?.
Leider habe ich nach drei Wochen, bis auf Republiek, Paramaribo und Brownsweg noch nicht wirklich viel von Suriname gesehen habe. Denn obwohl es um Brownsweg viele Ausflugsziele, wie Naturreservate gibt, ist man um dort hinzukommen meist auf ein Auto angewiesen. Selbst Orte die eigentlich auf dem Weg nach Paramaribo liegen, die jedoch nicht genau auf der Bustrecke nach Paramaribo liegen, sind per Bus nur über Parmaribo zu erreichen. Heißt: immer erst gut 2-3 Stunden mit dem Bus in die Stadt und von dort aus mit dem Bus zum Zielort.
Die Busfahrten von Brownsweg nach Paramaribo und zurück sind immer spannend, erfordern aber viel Zeit und Geduld. Um sechs Uhr morgens fährt das vollbesetzte, klapprige Gefährt aus Brownsweg los und ist gegen neun Uhr in Paramaribo. Unterwegs steigen Leute aus und Leute ein. Haltestellen gibt es eigentlich nicht. Die Leute schreien oder sagen dem Busfahrer vorab wo sie rauswollen. Unterwegs wird an Supermärkten, Tankstellen und Märkten gehalten und alle Businsassen oder aber nur eine einzige Person steigen aus um Besorgungen zu machen. Somit verlängert sich die Fahrzeit von eigentlich 1 ½ Stunden schnell auf 2-3 Stunden. Erst um ein Uhr mittags fährt der Bus zurück und dennoch kommt man um neun Uhr morgens bei der Ankunft in Paramaribo kaum aus dem Bus. Die Leute die um ein Uhr hochfahren wollen stürmen in den Bus und drapieren, wie deutsche Touristen an Hotelpools, Tücher und Gepäckstücke auf den Sitzplätzen um dann in vier Stunden zur Abfahrt wieder zurückzukommen und einen reservierten Platz genießen zu können. Genießen heißt dabei lediglich nicht stehen zu müssen. Sitzend verbringt man die Fahrt häufig auf einer Arschbacke oder eingequetscht neben einer der zahlreichen, stark übergewichtigen Frauen, auf den für normalgewichtige Personen konzipierten 2-3 Sitzbänke. Es wird geschwitzt was das Zeug hält Kinder toben und schreien, werden hin und her gereicht, bekommen äußerst freizügig die Brust, die Leute steigen für die Einkäufe ein und wieder aus, es wird zu Mittaggegessen, in Massen Chips und Limonade konsumiert und Bier getrunken. Und obwohl regelmäßig der Müll einfach zum Fenster rausgeschmissen wird, sieht der Bus gegen Ende der Fahrt aus, als hätte hier ein Fest stattgefunden. In Brownsweg wird etwa alle zehn oder auch nur fünf Meter der Bus gestoppt um auszusteigen? jeder Meter der nicht gelaufen werden muss, wird gespart. Alles in allem: so anstrengend und lange diese Fahrten sind, sind sie doch jedes Mal ein Erlebnis und toll. Ich genieße es die Menschen zu beobachten. Vor allem die wunderschönen Kinder, mit den interessantesten Frisuren, der perfekten Haut, den kleinen dunklen Knopfaugen und den langen geschwungenen Wimpern. Für viele kleine Kinder aus dem Binnenland scheine ich mit meiner hellen Haut oft zunächst doch fremd zu sein. Sie schauen mich meist schüchtern an und nach kurzer Zeit spüre ich, wie sich vorsichtig eine kleine Patschhand auf meinem Arm legt. Saß ich die erste Fahrt noch nassgeschwitzt und ungeduldig, wann wir denn endlich losfahren oder weiterfahren würden auf meinem Platz, genieße ich sie nun oft schmunzelnd aber entspannt. Stress gibt?s hier nicht und Stress machen stößt auf taube Ohren oder sogar Unmut. Dass die Leute hier gerne eine halbe Stunde später auftauchen als verabredet oder eine Abmachung mal spontan komplett über den Haufen werfen, scheint normal zu sein. Einen kleinen Raum zu zweit zu putzen kann gerne zwei Stunden in Anspruch nehmen, denn es wird immer wieder pausiert um miteinander zu schnacken, zu telefonieren oder einfach kurz auszuruhen. Eine Person, die scheinbar darauf wartet, abschließen und nach Hause gehen zu können, lässt die Damen recht kalt, bzw. sie fragen irgendwann grinsend ob man denn gerne gehen würde. Das relaxte Surinamische Lebensgefühl ?no spang? (?maak je niet druk?) bringt sicherlich eine gesunde, stressfreie Lebensweise mit sich, erschwert jedoch, denke ich den Aufbau und die Entwicklung mancher Dinge hier. Sicherlich wird mir diese Gelassenheit bei meiner häufigen Verbissenheit ganz gut tun. Anfangs war ich ab und an davon genervt, keine genauen Informationen über die Pläne des Projekts, die Zielgruppe, die Rahmenbedingungen etc. zu bekommen. Ich musste eher den Leuten aus meinem Team hinterherrennen um Infos über ihre Vorstellungen meiner Aktivitäten zu erfahren und die Vorgehensweise und Vorbereitungen zu besprechen. Wenn ich keine konkreten Fragen stelle, bekomme ich keine Infos und die Ansichten meiner Praktikumsleiter ändern sich hin und wieder? Hieß es anfangs: ?nur eine Stunde Sport für die Kinder? das ist aber wenig? die haben verdammt viel Energie?, heißt es am nächsten Tag: ?die sind komplett kaputt von der Schule?du solltest die, die mittags noch Hausaufgabenbetreuung haben, dann wann anders antanzen lassen. Am Besten wäre es eigentlich SAMSTAG und SONNTAG!!!!?
Hieß es anfangs: ? Ja zwischen eins und vier musst du die Sportaktivitäten machen, denn bis eins haben sie schule und ab vier Uhr haben sie Hausaufgabenbetreuung?. Heißt es ein paar Tage später: Ne um eins kannst du nicht anfangen, da sind sie komplett kaputt von der Schule und nein, nein nicht jedes Kind hat täglich um vier Uhr HA-Betreuung??das heißt du kannst besser nur mit denen arbeiten, die den Nachmittag komplett frei haben.??.womit mein, nur ein Tag zuvor besprochener und akzeptierter Plan, mit Gruppeneinteilungen, Zeitpunkten und Sportarten wieder komplett überflüssig war.
Ich hoffe ich falle vor allem mit den Begleitern der Sportaktivitäten, mit meiner Motivation oder Zielstrebigkeit und der Gewohnheit bei Unzuverlässigkeit Druck zu machen, nicht auf die Nase. Wie ich auch bei meinem Praktikumsleiter Dennis schon bemerkt habe, kann man mit einer auffordernden oder zu erwartungsvollen Art schnell gegen eine Mauer donnern. Da kann es auch um noch um so wichtige Dinge gehen wie die Regelung meiner Aufenthaltsgenehmigung?
Überbehütete Kinder gibt es hier wohl sicherlich auch, doch scheint mir der Umgang mit Kindern allgemein zwar liebevoll aber teilweise doch sehr ruppig. Offiziell dürfen sie nicht mehr mit Schlägen bestraft werden, dennoch sehe ich häufig wie hier ruckzuck Backpfeifen verteilt werden. Ein junger Surinamer hat mir erzählt, wie es bei ihm noch üblich war, dass ab neun Uhr jedes Kind daheim sein musste. Wer das nicht war wurde von einer Art Aufsichtstrupp aus Dorfmitgliedern eingefangen und hat von sowohl von ihnen, als auch zu Hause ordentlich Dresche bekommen. Viele Mütter auf dem Weg in die Stadt sind nicht selten mit vier oder fünf Kindern unterwegs. Geben deutsche Frauen doch nur ungern ihr kleines Kind aus den Händen oder einem Fremden mal eben zum Halten, werden Kinder hier von hinten nach vorne durch den Bus gereicht bzw. schlafen sie die Fahrt über auf dem Arm eines Mitreisenden. Viele Frauen hier mustern mich erst misstrauisch und sind reserviert, lächeln dann aber herzlichst und fragen neugierig was ich hier mache und scheinen sich teilweise sogar Sorgen zu machen.