Erste Tage in Republiek und Paramaribo

08.April 2011 - paramaribo


Halli Hallo,
Vor einer Woche bin ich in Suriname gelandet. Ich glaube das war die längste Woche meines Lebens. Trotz großer Müdigkeit durch die vielen Eindrücke und lange Tage, konnte ich noch keine Nacht so richtig durchschlafen. Ich gewöhne mich immer mehr an das Klima, auch wenn ich mit dem trinken kaum hinterherkomme. Die Kopfschmerzen vorgestern waren mir jedoch eine Lehre.

Die ersten zwei Tage verbrachte ich im Distrikt Para auf der Plantage Republiek bei Wolfgang Jost und seiner Frau Carmen, die mich vom Flughafen abgeholt und sehr gastfreundlich aufgenommen haben. Wolfgang hatte mir nicht nur den Praktikumsplatz hier vermittelt, sondern mich auch tatkräftig bei den Vorbereitungen und den ersten organisatorischen Dingen hier unterstützt. Er klärte mich über die Menschen hier auf und erzählte viel von seinen Erfahrungen in Suriname. Ich bin ihm und seiner Frau sehr dankbar, dass sie mich die ersten Tage in dieser doch ganz anderen Welt mit teils chaotischen und unübersichtlichen Verhältnissen unter ihre Fittiche genommen haben und ich mich etwas orientieren konnte.

Den ersten Tag begleitete ich die beiden auf eine kreolische Beerdigung. Etwa 1 1/2 Stunden verbrachte die Trauergemeinde schweigend vor dem aufgebahrten Sarg in einem kleinen Gemeindesaal, während die Angehörigen der Verstorbenen hinter dem Sarg in einer Stuhlreihe an der Wand saßen. Jeder der reinkam kondolierte ihnen und setzte sich oder verließ den Raum einfach wieder. Das Schweigen wurde immer wieder durch Gesänge (und Handys) unterbrochen, welche bei mir des Öfteren eine Gänsehaut verursachten. Aus den danebenliegenden Räumen waren immer wieder Schreie zu hören. Mir wurde gesagt, dass dies wohl eine Trauergemeinde, bestehend aus Boslandskreolen oder auch Buschneger und Marrons genannt, seien. Nachdem ein Pastor der Verstorbenen noch einige Worte gewidmet hatte und ein kleines Bläsertrio die Gesänge, teils recht schräg aber doch sehr schön, begleitet hatte, fuhren alle auf den Friedhof. Dort wurde der Sarg von sechs Männern hochgewuchtet und die kleine Blaskapelle legte los. Die sechs Männer legten etwa 10min einen Tanz mit dem Sarg auf ihren Schultern hin, dass ich Angst hatte er würde im nächsten Moment runterfallen. Einige wenige Trauergäste tanzten mit. Wolfgang meinte, dass dies noch lang nicht alles gewesen sei, was eine kreolische Beerdigung sonst an Tanz und Musik zu bieten hätte. Doch da die Verstorbene eine eher ruhige Person war und jung verstarb, waren alle eher verhalten. Ich war dennoch beeindruckt. Schließlich wurden aus einem Autokofferraum noch Getränke an alle verteilt.

Am zweiten Tag nahm ich mit Carmen an einem 5km Lauf oder 5km "gehen" durch Republiek teil, welcher den Namen " Kon Bron A Takru Fatu", also weg mit dem hässlichen Fett" hieß. Es schüttete leider den gesamten Mittag und Nachmittag. Zur Musik einer jungen Brassband tanzte eine Gruppe junger Mädchen, wobei ich mich zum ersten Mal von dem eindrucksvollen Hüftschwung der Damen überzeugen konnte. Schließlich liefen ca. 50 Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder , in ihren für den Lauf bedruckten weißen T-shirts und Kappen, von der Brassband und der Polizei begleitet, durch den Regen los. Ich konnte im Schritttempo die Gegend betrachten und genoss den Lauf. Hier leben nicht nur Religionen und Ethnien nebeneinander und miteinander, sondern auch Arm und Reich. Oft sind verfallene kleine Holzhütten zu sehen, in denen ganze Familien leben und zwischendrin stehen wohlhabende, neue Einfamilienhäuser.

Am Montagmorgen fuhr mich Wolfgang in das etwa 1 stunde entfernte Paramaribo, wo ich für die nächste Tage ein Zimmer in einem kleinen Hotel gebucht hatte. Er zeigte mir Supermärte und Markthallen, einige wichtige Punkte in Paramaribo und wir besorgten ein Handy für mich. Beim "vreemdelingendienst", wo ich einen Stempel für meinem Pass holen musste, da ich länger als 30 Tage in Suriname bleiben würde, wurde ich eiskalt von einer dicken Beamtin abserviert. Ich hätte ein Visum für 90Tage und würde keinen Stempel bekommen, solange ich ein Rückflugticket für September hätte: Ändern und wieder kommen!! Dafür eine Lösung zu finden, ohne dass ich doch noch ein Flugticket ins Ausland innerhalb der nächsten drei Monate buchen muss, steht somit noch für die nächsten Wochen an.

Nachdem Wolfgang mich schließlich meinem Schicksal überlassen hatte und ich mein sehr schönes Hotelzimmer bezogen hatte, drehte ich noch eine Runde durch das absolut hektische Zentrum von Paramaribo. Ich war selten zuvor so unsicher gewesen. Die Menschen starrten mich an, die Männer zischten und baggerten und genossen es wohl mich als orientierungslosen Neuling in den chaotischen Straßen zu verunsichern.
Mittlerweile hat sich die Unsicherheit gelegt, ich kenne mich ein wenig besser aus, gebe mich auch als kreidebleicher Fremdling souverän und die teils interessierten aber auch abschätzenden Blicke stören mich nicht mehr. Ich habe schöne und vorallem ruhige Ecken (Bilder) entdeckt und war die Tage vor allem auf der Suche nach Klamotten, da hier alles innerhalb von Minuten durchgeschwitzt ist, bzw ich komplett schwarz gekleidet und dadurch zwischen den buntgekleideten Menschen noch auffälliger war. Es ist zwar alles billig und es gibt super viele kleine von Indonesiern geführte Klamottenläden, die aber auch oft alles andere als mein Geschmack treffen und äußerst kitschig sind.

Mein erster Eindruck von Surinamern: Sie haben Feuer, viel Temperament und Selbstbewusstsein, sind meist offen und freundlich, interessiert, reden sehr sehr gerne und vor allem laut. Zurückhaltung ist gut, doch mit Schüchternheit kommt man nicht weit.

Die ersten Tage, muss ich zugeben, hat mich doch hin und wieder ein wenig das Heimweh geplagt, überkam mich einige Male das Gefühl von Einsamkeit und die Angst die Erwartungen des Projektleiters nicht erfüllen zu können. Ich hatte Bedenken ob sich meine Vorstellungen von den 6 Monaten hier, bewahrheiten würden und hatte einige Male ziemliche Sprachblockaden. Doch so kitschig es auch klingt, mich hier alleine durchzubeißen , bestimmte Momente und den Erwartungsdruck der Projektmitglieder und vorallem der Kinder auszuhalten, mit mir allein zu sein und mich dadurch kennenzulernen und daran zu wachsen, völlig fremde Dinge zu alltäglichem werden zu lassen und vorallem die Bräuche um den Wintikult und deren Anhänger kennen zu lernen, ist im Moment genau das Richtige für mich.