Meine Erleuchtung

15.September 2010 - New Delhi


Es ist so weit. Endlich. Nach knapp sieben Wochen in Indien ist es endlich passiert: Ich bin erleuchtet. Ich habe mein Inneres gefunden. Wie ich das geschafft habe? Nun, das ist eine ganz einfache Geschichte. Aber ich berichte mal von vorn.

Gestern war so ein Tag, den ich eigentlich gern in die Tonne kloppen wollte. Obwohl das Wochenende so erholsam war, fühlte ich mich gleich wieder völlig im Arsch. Die vielen Stunden, die ich von der lieben Maja freiwillig und eigenverantwortlich übernommen hab, sind schon eine ganze Menge Arbeit und erfordern viel Zeit in der Vorbereitung. Außerdem sitze ich ja auch noch in anderen Stunden und hospitiere. Dazu kommen noch Nachhilfe- und Hausaufgabenbetreuungsstunden. Und ich kann ja auch nicht "nein" sagen, darum wurden mir auch noch andere Vertretungsstunden aufgetragen. Selbst schuld.
Kurz gesagt: Gestern war der Moment erreicht, wo es mir einfach zu viel war.

Nach der 8. Stunde bin ich also mies gelaunt nach Hause gefahren. Mich aber um halb fünf schon hinzulegen, passte mir dann auch wieder nicht. Also noch mal raus. Ein weiteres Problem tauchte auf: Die meisten interessanten Sehenswürdigkeiten, Museen etc. schließen gegen 17 Uhr ihre Pforten. Auch schon wieder scheiße. Christoph hat mich dann auf die Idee gebracht, zum Hauz Khas zu fahren. Das ist sowohl ein Stadtviertel als auch das Areal rund um einen ehemaligen Wassertank, in dem es viel Grün geben sollte und wo ich mich dann mit einem guten Buch einfach in das Parkgelände setzen wollte um einfach mal abzuschalten. Fand ich nen guten Plan. Allerdings war es schon spät und um 19 Uhr ist es einfach mal stockfinster. Also ein bissel Gas geben. Da gibt es doch gleich das nächste Problem: Der Rikshawala hat mal überhaupt keine Ahnung, wo ich hin will. Erst sagt er, er fährt mich hin, dann muss er unterwegs aber so circa 6 Leute nach dem Weg fragen. Prima. Für eine Fahrt, die eigentlich 15 Minuten dauern sollte, brauchten wir das Doppelte. Endlich in Hauz Khas Village angekommen, suchte ich natürlich das Wasser. Hm, keins zu sehen. Erst mal durch das Viertel gelatscht, irgendwann am Ende an ein paar Ruinen angekommen. Kurz durch einen Zaun geschlüpft - und da war endlich das Wasser von Ferne zu sehen. Doch natürlich - verhexter Tag - wie sich herausstellte, war ich meinem Ziel kein Stück näher. Da ich ja immer an das Gute im Menschen glaube, hab ich die auf der Mauer chillenden, halbwüchsigen Jungs freundlich nach einem Weg zum Wasser gefragt. Außer merkwürdigen Kletterpartien durch die Ruinen, eindeutig anzüglichen Gesten und viel Gelächter über meinen Missmut hatten die Baihas aber nichts für mich anzubieten.

Halb kochend vor Wut beschloss ich, in der als "zweimalig zum besten Restaurant Indiens gewählten" und wahrscheinlich überteuerten Schenke noch einen Kaffee einzunehmen und dann einfach nach Hause zu fahren. Auf dem Weg dorthin sah ich einige Inder einem kleinen Pfad folgen und wollte aus reiner Neugier mal schauen, was es dort gab. Es handelte sich um einen kleinen Wildpark mit Rehen und Pfauen, die mich dann ein wenig besänftigen konnten. Nach einer Viertelstunde hatte ich aber genug und wollte zum Restaurant. Hoffnungslos fragte ich aber vorher noch den Pförtner, ob ich nicht hier irgendwo an das Wasser kommen könnte? Ja klar, nimm mal den versteckten Weg da um die Ecke. Und tatsächlich! Am Ende vom Weg stand ich dann endlich am Wassertank. Und das bei bestem und romantischstem Sonnenuntergangslicht. Schön.

Doch es schien schnell mit meiner Ruhe vorbei zu sein. Plötzlich sprach mich so ein älterer Herr von der Seite an und fragt mich, ob ich daran interessiert wäre, etwas gutes zu lesen. Ich denk mir schon innerlich "Och nee, jetzt schwallt der mich zu mit seiner Religion, seinem Ashram, seiner Sekte oder wie auch immer". Im Prinzip hat er das auch. Aber es war nicht auf die ätzende Art und Weise, die man hier schon oft genug erlebt hat. Außerdem sah er auch nicht abgefuckt aus wie die anderen, die einen hier zuschwallen. Er war irgendwas zwischen 60 und 70, trug eine westliche Hose, dazu ein pinkes Hemd, viele Ringe an den Fingern und merkwürdigerweise Stöpsel in den Ohren. Ja, ich wäre ihm aufgefallen, ich sähe aus wie jemand, der etwas sucht. Er wolle mich nicht nerven, aber wenn er mich jetzt nicht angesprochen hätte, hätte er das ewig bereut. Denn verpasste Gelegenheiten kommen nie wieder. Bla bla. Trotzdem fand ich ihn irgendwie interessant und ich hatte doch letzte Woche beschlossen, ein wenig aufgeschlossener den Leuten hier gegenüber zu sein. Also bin ich stehen geblieben und wir haben uns unterhalten. Er hat mir zig Weisheiten erzählt, die er durch sein Leben und diverse Bücher gelernt habe. Und wenn ich nur fünf von zehn Vorschlägen, die er mir gemacht hat, bedenken würde, hätte er sein Ziel schon erreicht. Im Gegensatz zu allen anderen Indern, die ich bisher getroffen habe, wollte er nicht wissen, wo ich her komme, was ich in Indien mache oder wie lange ich da bin. Das ist schon ein Wunder an sich. Tja, und während die Sonne langsam unterging, standen wir ne halbe Stunde zusammen und haben gequatscht. Er schien irgendwie zu merken, als ich langsam abschaltete (das Gespräch drehte sich dann auch ein wenig im Kreis) und hat sich dann mit den zwei Buchtipps, die er mir aufgeschrieben hat, verabschiedet und er wünsche mir ein schönes Leben.

Ich weiß jetzt nicht, woran es liegt, an der Tatsache, dass ich mal raus gekommen bin, oder an dem Typ, aber als ich wieder nach Hause fuhr, konnte mich noch nicht mal der elend lange Stau auf der Straße stressen und ich war einfach gut drauf. Natürlich war vieles, was er gesagt hat, absoluter Quatsch und oberflächliches Bla. Bin aber trotzdem froh, dass ich mal endlich einen Inder getroffen habe, der keine anstrengenden Fragen stellt und der in seiner Persönlichkeit absolut authentisch ist.

Übrigens ist der "Philosoph", von dem er viele seiner Weisheiten erfahren hat, ein Deutscher namens Eckhart Tolle, der seine Erkenntnisse vornehmlich in den USA lehrt und verbreitet. Das weiß ich jetzt von einer kleinen Internet-Recherche. Ich möchte jetzt ja nicht unfair sein und das ganze als absoluten Schwachsinn hinstellen, vielleicht bringt es manchen Menschen ja wirklich etwas. Aber die Homepage - HAHAHA, ich krieg mich gar nicht wieder ein. Für alle, die die Weisheit von dem guten Menschen erfahren wollen: http://www.eckharttolle.de/
Allen Hannoveranern sei gesagt, dass ihr ihn sogar direkt treffen könnt, er ist nämlich auf Buchpromotion unterwegs und kommt am 28. Oktober ins HCC. Kostet auch nur 55,20 EUR. Wenn das nicht toll ist!

Grüße von eurer Lieblingserleuchteten

PS an Mama: Die Post aus Griechenland ist schon letzten Freitag angekommen und hab mich einen Keks gefreut!!!