My Long Journey Home

27.April 2012 - Hagen


Am 10. Februar 2011 war es soweit: Ich musste Abschied von Australien nehmen. Da mein Flug erst nachmittags ging, konnte ich es morgens ganz entspannt angehen lassen. Natürlich musste ich um zehn auschecken, sodass ich `schon` um halb neun aufgestanden bin. Die meiste Zeit saß ich dann im Speisesaal und surfte im Internet. Um halb eins kam der Shuttlebus, den ich um ein Haar verpasst hätte. Ich stand rechtzeitig an der Straße, aber der Bus kam nicht von der Hauptstraße, wie ich vermutet hatte, sondern aus einer Nebenstraße, was ja nicht tragisch gewesen wäre, hätte er automatisch am Hostel gehalten. Das tat er jedoch nicht, man musste nach ihm winken. Nun hätte ich ihn fast übersehen, doch just als der Fahrer in die andere Richtung abbog, fiel mein Blick auf ihn und ich fuchtelte wild mit den Armen. Er sah das glücklicherweise im Rückspiegel und hielt an.

Obwohl der Flughafen nur 15km von der Innenstadt entfernt ist, brauchte der Bus eine Stunde, aber egal. Der Check-in verlief problemlos; mein Gepäck brachte es mittlerweile auf stolze 22 Kilo, 7 mehr als beim Hinflug, trotzdem fragte ich freundliche Dame, ob das meine einzige Tasche sei. Cool! Dafür durchsuchten sie dreimal mein Handgepäck, weil sie meinten, ich hätte eine Flasche Wasser dabei (warum auch immer) aber natürlich haben sie nichts gefunden. Anschließend hatte ich nicht mehr viel Zeit, um meine letzten Dollar auf den Kopf zu hauen, sodass ich nur noch eine Packung Tim Tams kaufte. Um viertel vor drei war Boarding, um viertel vor vier Abflug.

Zum Glück war ich viel zu aufgeregt, um traurig zu sein, auch wenn ich eine gewisse Wehmut verspürte. Im Gegensatz zum Hinflug war das Flugzeug bis auf den letzten Platz besetzt. Ich saß am Fenster in einer Zweierreihe, neben einer Frau in den Vierzigern. Aus irgendwelchen Gründen bekam ich tatsächlich erst im Flieger mit, dass Etihad auf der Route Sydney-Abu Dhabi keinen Zwischenstopp in Singapur macht, sondern wir tatsächlich 14 Stunden durchflogen. Schade, ich wäre gerne noch einmal dort gewesen, der Flughafen ist so nett. Außerdem sind 14 Stunden fliegen ohne Pause echt verdammt lang.

Da ich keine Lust zum Lesen hatte (meine aktuelle Lektüre `Bring Larks and Heroes` von Thomas Keneally war ziemlich harter Tobak, ich sag nur convict history), machte ich diesmal ausgiebig Gebrauch vom Entertainment-Programm. Ich schaute erst die Pilotfolge von `Mike & Molly`, weil ich Melissa McCarthy gerne mag, die ganz okay war, aber lange nicht so lustig wie Gilmore Girls. Anschließend guckte ich noch Morning Glory, Due Date und The Jewel of the Nile, die alle ganz nett waren, aber nicht so witzig wie ich erwartet hatte.

An Schlaf war aus zweierlei Gründen nicht zu denken: Erstmal war es mir zu eng und zu laut und zweitens hatten wir vom Red Centre bis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Turbulenzen zu kämpfen, die über Stunden immerhin so heftig waren, dass selbst die Crew sich hinsetzen musste. Flugzeuge sind ja so ziemlich das einzige Transportmittel, wo ich nicht bewegungskrank werde, aber da wurde mir schon anders, auch wenn ich mich zum Glück nicht übergeben musste. Ich konnte allerdings nicht mal mehr meinen Schokomuffin aufessen, dabei habe ich Backwaren in Oz so vermisst. Nach einigen Stunden musste ich dann auch einfach mal aufs Klo, aber kaum, dass ich in der Kabine war, sagte ein Flugbegleiter schon durch, dass man bitte sitzenbleiben soll. Gut, dass Schwesterchen mir Thrombosestrümpfe besorgt hat, denn Bewegung war so wirklich nicht drin.

Essen gab es mehr als ausreichend und dürsten musste ich diesmal auch nicht. Das Essen war auch sehr gut, zum Abendbrot gab es Lammwurst und zum `Frühstück` Hühnchen und Pasta. Mit Aussicht war diesmal nicht viel, denn es war fast die ganze Zeit Nacht. Wir flogen übrigens direkt über Alice Springs drüber, aber den Moment verpasste ich, weil es da gerade Essen gab, aber ich weiß auch nicht, ob ich aus der Höhe was erkannt hätte.

Um 22.45 Uhr Ortszeit landeten wir in Abu Dhabi. Bis dahin war mein Zeitgefühl natürlich völlig futsch. Das Gate machte erst um viertel eins auf, sodass ich zwei Stunden totschlagen musste. Trotz der späten Stunde war auf dem Flughafen Hochbetrieb. Es wurde reichlich umgebaut, außerdem waren sehr viele Leute unterwegs. Die Sitzplätze waren alle komplett belegt (ich finde, es gibt ohne ziemlich wenig Sitzgelegenheiten), sodass ich auf dem Boden sitzen musste. Da war es schon schwer, wach zu bleiben. Außerdem gab es nur eine Toilette, sodass sich dort eine ziemliche Schlange bildete. Dann kam auch noch plötzlich ein tränenüberströmtes Mädchen hereingestürmt, dass sich vordrängelte und auf dem Klo einschloss und eine ganze Zeit lang weinte. Es tat mir ja leid für sie, dass sie so traurig war, aber es war auch blöd für die Leute, die dort warteten. Natürlich waren auch viele muslimische Frauen dort. Eine von ihnen machte sich frisch, wobei ihr eine andere mit einem kleinen Jungen auf dem Arm zuschaute. Die erste warf dem Jungen eine Kusshand zu, woraufhin er beschämt seinen Kopf vergrub, was alle zum Lachen brachte. Anschließend zog die Frau Handschuhe und einen Niqab über, sodass von ihr nur noch die Augen zu sehen waren. Ich fand es schon schade, dass eine so hübsche und witzige Frau sich hinter so einem Ding verstecken muss.

Nach einer gefühlten Ewigkeit konnten wir endlich boarden, und das letzte Drittel zurücklegen. Auch der Flieger war voll und wieder saß ich in einer Zweierreihe, diesmal neben einem Mann namens Arne, der als Ingenieur einige Monate in Indien gearbeitet hatte und mir erstmal ein Ohr abkaute, bis er plötzlich einschlief, und das so fest, dass ihn wecken um aufzustehen nicht drin war. Ich hingegen konnte immer noch nicht schlafen. Ich schaute Lie to Me und The Middle, eine sehr durchschnittliche Sitcom und die letzte Folge der Mary Tyler Moore Show. Die Sendung habe ich früher immer so gerne geschaut, aber leider läuft die gar nicht mehr im Fernsehen.

Um kurz nach sechs Uhr morgens landeten wir schließlich in Frankfurt. Natürlich regnete es, aber alles war vergessen, als ich die Familie wieder sah! Das war unbeschreiblich schön, sie nach so langer Zeit wieder in die Arme schließen zu können. Außerdem verhinderte es auch einen Jet Lag, denn ich war so aufgeregt, alle wiederzusehen, dass die Müdigkeit wie wegblasen war und ich tatsächlich erst abends in Bett fiel.

So, das war mein kleines Abenteuer. Schon komisch, dass ich jetzt mit dem Schreiben fertig bin, wo ich doch so lange dran gesessen habe (viel länger als erwartet). Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich die Mühe gemacht haben, etwas von dem Blog zu lesen. Ich weiß, dass es manchmal arg ausführlich war, aber ich wollte die Zeit einfach so genau wie möglich festhalten, damit ich auch in Zukunft in Erinnerungen schwelgen kann, wenn mir danach ist.

Mittlerweile sind 15 Monate seit meiner Rückkehr vergangen, und was kann ich sagen? Ich bin unendlich froh, dass ich Work and Travel in Australien gemacht habe, trotz mancher Tiefen (der Work-Part). Das Land wird für mich natürlich immer einen ganz besonderen Stellwert haben. Manchmal vermisse ich Oz auch ganz schrecklich und würde am liebsten sofort in das nächste Flugzeug steigen, aber das muss warten. Am meisten fehlt mir das Wetter. Auch wenn ich ausgerechnet im nassesten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen dort war, war es insgesamt doch wesentlich wärmer und sonniger als in Deutschland. Das letzte Jahr hier war teilweise wirklich sehr hart, da es praktisch überhaupt keinen Sommer gab. Ich weiß nicht, ob ich auf Dauer in Norddeutschland leben kann, es ist mir hier einfach zu kalt und zu nass. Ich habe gemerkt, dass ich Jahreszeiten nicht brauche, so ein Klima wie in Brisbane wäre optimal für mich, 20-30 Grad das ganze Jahr hindurch.

Was ich noch vermisse: Erstens, die Landschaft. Die Gumtrees, die goldenen Weiden, die rote Erde, der Regenwald und ganz besonders den Ozean. Auch wenn es in Deutschland sicherlich auch sehr schöne Ecken gibt, mit Australien kann das meiner Meinung nach nicht mithalten. Zweitens, die australische Lockerheit. Auch wenn das mit der G'day-Mate-Easy-Going-Mentalität etwas übertrieben ist, sind die Aussies tendenziell doch wesentlich entspannter als die Deutschen und vor allem wesentlich freundlicher. Manchmal sind die Leute in Deutschland doch arg muffelig und wenn ich höre, wie in Berlin gegen Touristen gehetzt wird, dann ist mir das unangenehm, da ich im Ausland fast immer sehr zuvorkommend behandelt wurde. Drittens, das Essen. Tatsächlich! Also, manche Sachen zumindest. Insbesondere Tim Tams. Seit ich die gegessen habe, hängen mir alle hiesigen Kekse zum Hals raus, da die nicht mal ansatzweise so gut schmecken wie Tim Tams. Dann die Dips/Brotaufstriche wie Avocado oder Mais/Cashew-Kerne. Und die indischen Gerichte. Überhaupt gibt es in Oz viel mehr internationale Nahrungsmittel zu kaufen. Und Apfel-Mango-Saft. Immerhin gibt es jetzt auch in Deutschland bezahlbaren Mangosaft, sodass man mischen kann. Insgesamt sagt mir das hiesige Angebot aber mehr zu, vor allem Filterkaffee, Brötchen und Käse haben mir in Oz doch sehr gefehlt.

Ich kann nicht sagen, ob ich mich während der Reise verändert habe, das müssen andere entscheiden. Was für mich überraschend war: Ich dachte, so eine lange Reise würde mein Fernweh erstmal stillen. Hat es, für einen Monat oder so, aber danach war es schlimmer als je zuvor. Die letzten Worte gehören daher Blitzen Trapper, da die meine Gefühlslage viel besser zusammenfassen als ich es jemals könnte: Now my fur has turned to skin and I've been quickly ushered in to a world that I confess I do not know. But I still dream of running careless through the snow, and through the howlin' winds that blow, across the ancient distant flow, it fill our bodies up like water till we know.


Danke und bis zur nächsten Reise,

Euer Hobo Girl